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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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zusammen. Er hatte kleine, harte Augen wie ein wilder Eber, und er gehörte zu den Tungskulder-Fjel, breitschultrig und stark und verlässlich. »Einige werden sich über diese Nachrichten freuen.«
    »Solche gibt es immer«, sagte Tanaros. »Sie sind es, die man im Auge behalten muss.«
    Der Fjeltroll nickte, feilte noch ein wenig an der kleinen Figur herum und schmirgelte winzige Granitkörner ab. »Solche gibt es immer.«
    Unholde nannten die Menschen sie, Höhlengräber, Schafschlächter, kaum besser als Vieh. Tanaros hatte das selbst einmal geglaubt. Zu jener Zeit, als die Söhne des Altorus ein mächtiges Königreich im Südwesten regierten und er der Oberbefehlshaber der Wache gewesen war, der Altorias Grenzen gegen Satoris’ Truppen verteidigen musste, gegen die tödlichen Wehre und die entsetzlichen Fjeltrolle. Zu jener Zeit, als er noch ein verheirateter, sehr verliebter Mann und ein treuer Diener gewesen war, der einen kühnen, lachenden Mann mit rotgoldenem Haar seinen Herrn und König nannte.
    Roscus. Roscus Altorus.
    Oh Geliebte, Geliebte! Tanaros erinnerte sich, und wieder fragte er sich: Wie konntest du uns das antun?
    Irgendwo holte ein kleines Kind tief Luft und begann zu schreien.
    So viel Zeit war verstrichen, und doch war die Wunde nicht verheilt.
Sein Herz schmerzte immer noch, es schlug und schmerzte unter dem silbernen Brandmal, das es umgab, und das machte den Schmerz erträglich. Es war nach ihrem Verrat zersprungen, zersplittert wie die Souma. Und in dieser Dunkelheit hatte Satoris ihn gerufen, und er war gekommen, denn es war die einzige Stimme gewesen, die in der Lage gewesen war, die Leere in ihm zu durchdringen.
    Jetzt … jetzt.
    Jetzt war alles anders, jetzt war er einer der Drei. Tanaros, Heerführer Tanaros, Tanaros Schwarzschwert, und dieses Geschöpf, Hyrgolf der Fjeltroll, war sein Stellvertreter und ein vertrauter Gefährte. Denn auch wenn er zweimal so groß und breit war wie ein Mensch und seine Augenzähne zeigte, wenn er lächelte, war er doch loyal und treu.
    »Ihr denkt an sie «, sagte Hyrgolf.
    »Ist das so offensichtlich, mein Freund?«
    »Nein.« Hyrgolf pustete den Staub von dem Rhios und sah es, die kleine Figur hin und her drehend, wieder genau an. »Aber ich kenne Euch, mein Heerführer. Und ich kenne die Geschichten. Es ist besser, nicht daran zu denken. Die Toten sind tot und vergangen.«
    Ihr Hals unter seinen Händen, weiß und schlank, ihre Augen, wie sie hervortraten, als sie ihm endlich glaubten. Eine zerstörerische Gewalt. Und irgendwo schrie ein Kind, rotgoldene Locken feucht um den weichen Kopf. Ein Kind, das er am Leben gelassen hatte.
    Tanaros erinnerte sich und bewegte die Hände, seine geschickten Hände, dann ließ er die Schultern unter dem Gewicht der Erinnerung fallen. »Ich habe zu lange gelebt, um zu vergessen, mein Freund.«
    »Hier.« Breite Hände ergriffen die seinen und legten etwas hinein. Dreckgeschwärzte Krallen fuhren über seine Handgelenke. Ein kleines Ding, eiförmig und warm. Tanaros umschloss das Rhios mit den Handflächen. Eine Nymphe, eine Quellnymphe. Ihr zartes Gesicht lachte ihm zwischen seinen Daumen entgegen. Eine Figur, die Ruhe ausstrahlte, von lachsfarbenen Streifen durchzogen. Er musste an hurtige Stromschnellen denken, an sanfte Strudel in Gewässern voller Laich.
    »Hyrgolf …«

    »Behaltet es, Heerführer.« Der Fjeltroll lächelte ihn freundlich an und bot dabei einen schrecklichen Anblick. »Wir tragen sie bei uns, um uns zu erinnern, wir, die wir einst Neheris’ Kinder waren. Eines Tages, wenn die Gespaltene Welt wieder eins wird, werden wir vielleicht wieder die Ihren sein.«
    Neheris die Viertgeborene, Neheris von den fallenden Wassern, die einmal die hohen Berge des Nordens und die schnellen, von ihnen herabströmenden Flüsse geformt und die auch die Fjeltrolle erschaffen hatte. Tanaros rieb das Rhios zwischen seinen Fingern. Der geschnitzte Stein war weich wie Seide und noch warm von Hyrgolfs Hand. Er fühlte sich gut an.
    »So ist es recht.« Sein Feldmarschall nickte. »Behaltet es in Eurer Tasche, Heerführer, und es wird immer bei Euch sein.«
    Er verstaute das Figürchen. »Danke, Hyrgolf.«
    »Gern geschehen, Heerführer.« Der Fjel nahm eine Streitaxt zur Hand, suchte nach einem Wetzstein und machte sich dann mit derselben wachsamen Geduld daran, die Waffe zu schärfen. Der Wetzstein gab ein rhythmisches, schabendes Geräusch von sich, das die gemütliche Höhle erfüllte. »Ab sofort

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