Elegie - Herr der Dunkelheit
geschritten, als sie schliefen. Ich bringe Neuigkeiten. Cerelinde von den Ellylon, Elterrions Enkeltochter, hat eingewilligt, Aracus Altorus aus dem Menschengeschlecht zu heiraten.«
Wenn eine Tochter des Elterrion einen Sohn des Altorus ehelicht …
Es war ein Teil der Prophezeiung Haomanes, eines jener Geschehnisse, nach deren Eintreffen – so hatte es der Gedankenfürst gesagt – Satoris überwältigt und besiegt und Urulat schließlich von den sechs verbliebenen Schöpfern beherrscht werden würde.
Vorax fluchte mit dem typischen Einfallsreichtum eines Stakkianers.
Tanaros schwieg. Er erinnerte sich.
Aracus Altorus .
Einst hatte es einen anderen aus diesem Geschlecht gegeben. Nicht nur einen, viele andere. Altorus der Weitsichtige war der Erste gewesen, im Ersten Zeitalter der Gespaltenen Welt. Für Tanaros, der in den Jahren schwindenden Ruhms geboren worden war, gab es nur einen: Roscus Altorus, den er einst »König« und »Herr« genannt hatte. Roscus, den er mehr geliebt hatte als einen Bruder. Rotgoldenes Haar, lächelnder Mund und eine starke Hand, die die seine voller Freundschaft drückte.
Oder voller Liebe, als er die Hand von Tanaros’ Weib ergriffen hatte. Als er sie sein Eigen genannt, sie genommen hatte. Als er sie in sein Bett geführt und ihr ein Kind gemacht hatte.
Tanaros bebte vor Hass.
»Ruhig Blut, Vetter.« Vorax’ Hand lag schwer auf seiner Schulter, und Mitgefühl erklang in der Stimme des Stakkianers. Sie kannten sich gut, die Drei, nach all den langen Jahren. »Das geht uns alle an.«
Uschahin Traumspinner sagte nichts, aber seine Augen leuchteten in der dunklen Kammer. Beinahe schwarz das eine, die Pupille rund und groß, die andere nahm ab und zu wie der Mond und war von einer bleichen, starren Iris umgeben. So war es, seit man ihn einst aufs Übelste zugerichtet und liegen gelassen hatte, in der Annahme, er sei
tot. Die Menschen sagten, es bringe Wahnsinn, ihm in die Augen zu sehen. Was die Ellylon dachten, wusste niemand.
»Satoris, Herr.« Tanaros hatte seine Sprache wiedergefunden. »Was verlangt Ihr von uns?«
»Seid bereit.« Ruhig, immer noch so ruhig, obwohl es schien, als ob der Ichor schneller aus der Wunde rann und die feuchte Spur sich verbreiterte. »Tanaros, dir obliegt der Befehl über die Heere. Jene Mannen, denen Urlaub gewährt wurde, müssen wieder zum Dienst gerufen werden, und jede Schwadron muss in voller Stärke antreten. Auch müssen neue Krieger angeworben werden. Vorax, überprüfe unsere Versorgungslinien und jene Verbündeten, die man bestechen oder kaufen kann. Uschahin …« Der Schöpfer lächelte. »Tue das, was du immer tust.«
Sie verbeugten sich alle drei und führten die geballte Faust zum Herzen.
»Wir werden Euch nicht enttäuschen, Herr«, sagte Tanaros für sie alle.
»Meine tapferen Krieger.« Satoris’ Worte hingen sanft in der Luft. »Mein Bruder Haomane will mir ans Leben, um den langen Streit zwischen uns zu beenden. Das ist euch bekannt. Aber alle Waffen und Prophezeiungen der Gespaltenen Welt werden ihm nichts nützen, solange der Dolch Gottestöter in unserem Besitz bleibt, und dort, wo er liegt, können ihn keine anderen Hände berühren als die meinen. Dies verspreche ich euch: Solange das Feuermark brennt, werde ich in Finsterflucht herrschen, und ihr drei werdet an meiner Seite sein. Dieser Pakt wurde mit eurem Brandzeichen besiegelt, und ich werde ihn nicht brechen. Nun geht und sorgt dafür, dass wir bereit sind.«
Sie gingen.
Am Horizont flimmerte der rote Stern des Krieges.
»Dann gibt es also Krieg.«
Trotz seines massigen Körpers waren die Hände des Fjeltrolls flink und geschickt und arbeiteten sauber, während er selbst mit seinen Gedanken anderswo war.
»Es sieht so aus.« Tanaros sah Hyrgolf zu, wie dessen riesige Pranken
ein Rhios formten und dabei dem Granitstück mit Krallen und roher Gewalt zu Leibe rückten. Es war schon fast fertig, nur die Kanten mussten noch abgeschliffen werden, und die ausdrucksvollen Gesichtszüge fehlten. »Du wirst alle Mannen zurückrufen? Und tausend neue anwerben lassen?«
»Jawohl, Heerführer.« Sein Feldmarschall blies über den Stein und pustete den Granitstaub aus den winzigen Rillen. Er hielt das Rhios in seiner schwieligen Handfläche und hob es auf Augenhöhe, um es genau zu betrachten. Eine Quellnymphe, rund wie ein Ei, lag seltsam zart auf der gelblichen, ledrigen Haut. »Wie gefällt es Euch?«
»Es ist wunderschön.«
Hyrgolf kniff die Augen
Weitere Kostenlose Bücher