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Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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an ihrer eigenen Geschichte zweifelnde, müde, erschöpfte Menschheit darauf vor, so gut es ging, ein neues Jahrtausend zu beginnen.

    7

    Manche sagen:
    » Die Zivilisation, die wir aufgebaut haben, ist noch anfällig, Wir haben gerade erst die Nacht hinter uns gelassen. Wir tragen noch das feindselige Bild dieser Jahrhunderte des
                                             Unglücks in uns; Wäre es nicht besser, wenn all das verborgen bliebe?«

    Der Erzähler steht auf, sammelt sich und erinnert daran,
unerschütterlich, aber entschlossen
steht er auf und erinnert daran,
    daß eine metaphysische Revolution stattgefunden hat.

    Wie die Christen sich die früheren Zivilisationen vorstellen und sich ein umfassendes Bild der früheren
    Zivilisationen machen konnten, ohne sich in Frage
    zu stellen und ohne an sich zu zweifeln,
denn sie hatten ein Stadium,
eine Stufe,
eine Grenzlinie überschritten,

    Wie die Menschen des materialistischen Zeitalters
    den christlichen rituellen Zeremonien beiwohnen konnten,
                 ohne diese zu verstehen oder wirklich zu sehen, Und die Bücher, die ihre ehemalige christliche Kultur
                                         hervorgebracht hatte, lesen und immer wieder lesen konnten,
    ohne sich von einer quasi anthropologischen Sichtweise zu befreien,
    Unfähig, jene Auseinandersetzungen zu begreifen, die ihre Vorfahren um das Zusammenspiel von Sünde und Gnade bewegt hatte,

    So können auch wir uns heute die Geschichte der
                                       materialistischen Ära als eine alte menschliche Geschichte anhören.
    Es ist eine traurige Geschichte, und dennoch wird sie uns
                                 nicht wirklich traurig stimmen, denn wir gleichen nicht mehr diesen Menschen. Hervorgegangen aus ihrem Fleisch und aus ihren Begierden,
    haben wir ihre Kategorien und ihre Zugehörigkeiten
                                                   verworfen. Wir kennen nicht ihre Freuden, kennen auch nicht mehr ihr
    Leid,

    Gleichgültig
    Und völlig mühelos
haben wir ihre Welt des Todes
zurückgewiesen.

    Heute können wir jene Jahrhunderte des Schmerzes, die unser Erbe sind, der Vergessenheit entreißen, es hat etwas wie eine zweite Teilung stattgefunden, und wir haben das Recht, unser Leben zu führen.

    Albert Einstein, der von 1905 bis 1915 ziemlich allein und mit begrenzten mathematischen Kenntnissen gearbeitet hat, ist es gelungen, ausgehend von seiner anfänglichen Intuition, die im Prinzip der speziellen Relativitätstheorie formuliert ist, eine allgemeine Theorie von Gravitation, Raum und Zeit zu entwikkeln, die einen entscheidenden Einfluß auf die spätere Entwicklung der Astrophysik ausüben sollte. Man kann diese gewagte, einsame Bemühung, die Hilberts Worten zufolge »zu Ehren des menschlichen Geistes« unternommen worden ist - und zwar auf Gebieten ohne erkennbaren praktischen Nutzen, die darüber hinaus noch zu jener Zeit den Forschern unzugänglich waren -, mit den Arbeiten von Cantor vergleichen, der eine Typologie des faktischen Unendlichen aufgestellt hat, oder mit Gottlob Freges Bemühungen, die Grundlagen der Logik neu zu definieren. Man kann sie ebenfalls, wie Hubczejak in seiner Einführung zu den Clifden Notes schreibt, mit Djerzinskis einsamer geistiger Tätigkeit von 2000 bis 2009 in Clifden vergleichen - insbesondere, da Djerzinski genau wie Einstein zu seiner Zeit nicht über ausreichende mathematische Fachkenntnisse verfügte, um seine Intuitionen auf einer wirklich strengen Grundlage zu entwickeln.

        Topologie der Meiose, seine erste Veröffentlichung, die 2002 erschien, erregte dennoch ziemliches Aufsehen. Sie bewies zum erstenmal auf der Grundlage von unwiderlegbaren thermodynamischen Argumenten, daß die Chromosomenteilung, die während der Meiose erfolgt, um haploide Gameten hervorzubringen, selbst eine Quelle struktureller Instabilität ist, oder mit anderen Worten, daß jede geschlechtlich differenzierte Spezies zwangsläufig sterblich ist.
        Der Artikel Drei Mutmaßungen zur Topologie in den Hil bert-Räumen, der 2004 erschien, sollte Erstaunen hervorrufen. Man hat ihn als eine Reaktion auf die Dynamik des Kontinuums interpretiert, als einen Versuch - mit seltsam platonischen Anklängen -, die Algebra der Formen neu zu definieren.

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