Elementarteilchen
verdanken,
Wir wissen, daß wir nichts wären ohne die Verflechtung
von Schmerz und Freude, die ihre Geschichte
aus gemacht hat, Wir wissen, daß sie unser Bild in sich trugen, als sie Haß und
Angst durchquerten, sich im Dunkel stießen, Als sie nach und nach ihre Geschichte schrieben. Wir wissen, daß es sie nicht gegeben hätte, daß es sie nicht
einmal hätte geben können, ohne diese Hoffnung tief
in ihrem Innern,
Sie hätten nicht einmal ohne ihren Traum existieren können.
Jetzt, da wir im Licht leben,
Jetzt, da wir in unmittelbarer Nähe des Lichts leben
Und das Licht unsere Körper umströmt,
Unsere Körper umhüllt
Mit einem Strahlenkranz der Freude,
Jetzt, da wir uns in unmittelbarer Nähe des Flusses niederge
lassen haben, An unerschöpflichen Nachmittagen
Jetzt, da das Licht um unseren Körpern greifbar geworden ist, Jetzt, da wir am Ziel angelangt sind Und die Welt der Trennung überwunden haben,
Die gedankliche Welt der Trennung,
Und uns in der reglosen fruchtbaren Freude
Eines neuen Gesetzes treiben lassen,
Können wir uns
Heute
Zum erstenmal
Das Ende der alten Ordnung vergegenwärtigen.
Erster Teil
Das verlorene Reich
1
Der erste Juli 1998 fiel auf einen Mittwoch. Daher war es durchaus logisch, wenn auch ungewöhnlich, daß Djerzinski seine Abschiedsfeier an einem Dienstagabend veranstaltete. Zwischen den Tiefkühltruhen für Embryos stand, ein wenig erdrückt von deren Vielzahl, ein Kühlschrank der Marke Brandt, in dem sich die Champagnerflaschen befanden; er diente normalerweise zur Aufbewahrung der üblichen chemischen Produkte.
Vier Flaschen für fünfzehn Leute, das war ein bißchen knapp bemessen. Alles war außerdem etwas knapp bemessen: Die Motivation, die sie zusammenführte, war oberflächlich; ein falsches Wort, ein schräger Blick, und schon würde sich die Gruppe auflösen und jeder zu seinem Fahrzeug eilen. Sie hielten sich in einem weiß gekachelten, klimatisierten Raum im Kellergeschoß auf, der mit einem Plakat deutscher Seen geschmückt war. Niemand hatte sich angeboten, Fotos zu machen. Ein bärtiger junger Forscher mit dümmlichem Aussehen, der seit Anfang des Jahres im Institut arbeitete, verdrückte sich nach wenigen Minuten unter dem Vorwand von Parkproblemen. Unter den Anwesenden breitete sich zunehmend spürbares Unbehagen aus; bald begannen die Ferien. Manche fuhren in ein Landhaus der Familie, andere verbrachten die Ferien im Grünen. Die Worte, die gewechselt wurden, peitschten langsam durch die Luft. Man trennte sich schnell.
Um neunzehn Uhr dreißig war alles vorbei. Djerzinski ging in Begleitung einer Kollegin mit langem schwarzen Haar, sehr weißer Haut und großen Brüsten über den Parkplatz. Sie war et- was älter als er; wahrscheinlich würde sie seine Nachfolge antreten und die Leitung des Forschungsinstituts übernehmen. Die meisten ihrer Veröffentlichungen beschäftigten sich mit dem Gen DAF3 der Drosophila; sie war unverheiratet.
Er stand vor seinem Toyota und reichte der Forscherin mit einem Lächeln die Hand (seit mehreren Sekunden hatte er sich vorgenommen, diese Geste, begleitet von einem Lächeln, auszuführen, und sich innerlich darauf vorbereitet). Die Handflächen verschränkten sich und schüttelten sich leicht. Ein wenig zu spät sagte er sich, daß es diesem Händedruck an Wärme gefehlt habe; angesichts der Umstände hätten sie sich umarmen können, wie es Minister oder manche Schlagersänger taten.
Nachdem die Verabschiedung vollzogen war, blieb er noch fünf Minuten, die ihm lang vorkamen, im Wagen sitzen. Warum fuhr die Frau nicht los? Onanierte sie, während sie Brahms hörte? Oder dachte sie etwa an ihre Karriere, an ihre neue Verantwortung, und falls ja, freute sie sich darüber? Schließlich verließ der Golf der Genetikerin den Parkplatz; er war wieder allein. Es war ein herrlicher Tag gewesen, die Hitze war noch zu spüren. In diesen Wochen des beginnenden Sommers schien alles in strahlender Unbeweglichkeit erstarrt zu sein; dabei wurden die Tage, wie Djerzinski bewußt war, schon wieder kürzer.
Er hatte in einer privilegierten Umgebung gearbeitet, dachte er, als auch er losfuhr. Auf die Frage »Sind Sie der Ansicht, daß Sie als Einwohner von
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