Elena – Ein Leben fuer Pferde
nachdem er unser Gespräch beendet hatte, piepste mein Handy. Ich hatte eine SMS erhalten.
Eines Tages wird alles besser, schrieb Tim. Aber solange lebe ich für die Treffen mit dir. Ich liebe dich!
»Ich liebe dich auch«, flüsterte ich und musste prompt heulen.
Noch eine ganze Weile lag ich da und starrte an die Zimmerdecke. Mein Herz klopfte, als ich über seine Worte nachdachte, und obwohl ich einerseits schrecklich traurig war, war ich gleichzeitig glücklich.
Unten rief Mama nach mir.
»Ich komme!«, rief ich und sprang vom Bett auf.
Tim liebte mich! Und ich würde es so halten wie er und für unsere Treffen leben.
5. Kapitel
Tim hatte schon einige Hindernisständer und Stangen auf die Rolle an seinem alten roten McCormick-Traktor geladen, als Melike und ich, gefolgt von Twix, um kurz nach halb drei mit unseren Fahrrädern angekeucht kamen. Es war ein windiger, kühler Tag und mit dem Gegenwind war die Steigung hoch zur Wiese echt voll anstrengend. Aber mein ohnehin rasender Pulsschlag verdoppelte sich unwillkürlich bei Tims Anblick. Ob ich ihn wohl eines Tages ansehen konnte, ohne sofort dem Herzinfarkt nahe zu sein? Tim winkte uns, sprang vom Anhänger und kam quer über die Wiese auf uns zu.
»Hey!«, rief er. »Da seid ihr ja! Ich dachte schon, ich müsste den ganzen Kram allein aufladen.«
Er blieb vor uns stehen und sah mich an. Großer Gott, er sah so süß aus mit dem vom Wind zerzausten Haar und seinen leuchtend blauen Augen, mir verschlug es glatt den Atem und die Sprache.
»Ich hab extra die letzte Stunde geschwänzt, um pünktlich zu sein«, entgegnete Melike und guckte zwischen Tim und mir hin und her.
»Na los«, sagte sie, »küsst euch schon. Ich dreh mich auch um.«
»Sehr rücksichtsvoll von dir.« Tim schien ein bisschen verlegen, aber dann machte er einen Schritt auf mich zu, zog mich in seine Arme und küsste mich auf den Mund.
Mir war ganz schwindelig. Mein erster Kuss lag schon ein paar Wochen zurück, und ich war noch längst nicht daran gewöhnt, von Tim umarmt und geküsst zu werden. Er schmiegte sein Gesicht an meines.
»Seid ihr fertig?«, rief Melike. »Kann ich mich wieder umdrehen?«
»Noch drei Sekunden«, erwiderte Tim und musste lachen. Er ließ mich los, und ich taumelte, als ob ich Alkohol getrunken hätte.
Twix hatte sich verdrückt und jagte voller Begeisterung Mäuse, indem er die Löcher im Boden mit Pfoten und Zähnen aufbuddelte. Wir gingen zum Traktor hinüber und begannen, die restlichen Trainingshindernisse aufzuladen. Im Gegensatz zu dem Nachmittag im November, als wir die Ständer und Stangen abgeladen hatten, voll ausgelassener und gespannter Vorfreude auf das Abenteuer des »Projekts Fritzi«, wie Tim unser heimliches Training genannt hatte, war unsere Stimmung heute wehmütig und gedrückt. Es war das unwiderrufliche Ende der gemeinsamen Unterrichtsstunden und der Möglichkeit, uns regelmäßig zu treffen. Ich warf Tim immer wieder verstohlene Blicke zu und versuchte, mir sein Gesicht, sein Lächeln, seine Hände, ja einfach jedes Detail an ihm einzuprägen, um daran denken zu können, wenn ich allein und ohne ihn war.
»Elena, setz dich bitte auf den Traktor und fahr zum nächsten Hindernis rüber!«, rief er mir zu, und ich kletterte auf den Sitz des Traktors, der im Leerlauf vor sich hin tuckerte. Ich ließ die Kupplung zu schnell kommen, der McCormick machte einen Satz und der Motor erstarb.
»Mist«, sagte ich. »Wie krieg ich das Ding wieder an?«
»Warte. Es gibt einen Trick.« Tim sprang zu mir auf den Traktor und beugte sich über mich. »Rutsch mal ein Stück nach vorn.«
Er setzte sich hinter mich und griff um mich herum.
»Fuß von der Kupplung«, kommandierte er und ich gehorchte. Er betätigte irgendeinen Hebel unter dem Lenkrad und Sekunden später sprang der Motor des Traktors wieder an. »So, und jetzt etwas Gas geben und die Kupplung langsam kommen lassen. Mit Gefühl … nicht so ruckartig. Versuch’s mal.«
Tim nahm seinen Fuß von der Kupplung, aber mein Bein war plötzlich so weich wie Pudding und der Traktor machte wieder einen Bocksprung und soff ein zweites Mal ab.
»Ich glaub, du machst das mit Absicht.« Tims Stimme klang amüsiert.
»Nein, ehrlich nicht«, widersprach ich und da drückte er mir mit kalten Lippen einen Kuss auf die Wange.
In diesem Moment durchzuckte mich die schmerzhafte Erkenntnis, dass dies hier ein Abschied war. Ich wünschte, ich könnte diesen Augenblick festhalten, für immer
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