Elena – Ein Leben fuer Pferde
blöder Idiot! Ich bin nicht deine Angestellte!«
»Hört auf zu streiten«, sagte Papa. »Nimm dir selbst Kaffee, Christian.«
Mama kam aus dem Bad und setzte sich hin. Meine Eltern aßen schweigend ihren Kuchen, dann klingelte Papas Handy. Beim Essen durfte bei uns nicht telefoniert werden, deshalb stand Papa auf und ging hinüber ins Büro.
»Was ist denn los?«, fragte ich Mama.
»Ludwigs und Habermanns haben gekündigt«, erwiderte sie und seufzte.
»Aber wieso das denn?« Ich war überrascht. »Die sind doch schon ewig hier!«
»Sie sagten, dass sie der Schulbetrieb stört«, antwortete Mama. »Außerdem fehle ihnen ein qualifizierter Dressurunterricht. Opa sei kein richtiger Reitlehrer und Papa im Sommer dauernd auf Turnieren. Und den Boden in der Reithalle haben sie bemängelt.«
»Idioten«, schnaubte mein Bruder und angelte sich ein drittes Stück Käsekuchen. »All die Jahre hat sie der Schulbetrieb nicht gestört. Die sollen bloß abhauen.«
»Du sagst das so einfach.« Mama legte die Kuchengabel aus der Hand. Ihr schien der Appetit vergangen zu sein. »Leider fehlen uns dann wieder vier Boxenmieten, die wir fest in unser Finanzierungskonzept eingeplant hatten.«
Ich kapierte. Um Opas Schulden bei der Bank zurückzuzahlen, mussten Papa und Mama jeden Monat eine bestimmte Summe Geld aufbringen. Ludwigs und Habermanns waren nicht die ersten Einsteller, die den Amselhof verließen. Im vergangenen Jahr waren beinahe zwanzig Pferde ausgezogen. Zwar hatte Papa durch den Verkauf von Lagunas einen großen Teil der Schulden abbezahlen können, aber noch immer schwebte das Schreckgespenst einer Zwangsversteigerung über dem Amselhof, wenn nicht pünktlich die vereinbarten Raten an die Bank gezahlt wurden. Letzte Woche hatte der eine Traktor repariert werden müssen, und Hufschmied, Futtermittelhändler und der Tierarzt wollten regelmäßig ihr Geld haben, mal abgesehen von all den anderen Kosten, die Monat für Monat anfielen.
»Dazu kommt, dass Tanja und Sabrina die anderen Mädchen fehlen«, fuhr Mama fort. »Hier auf dem Hof wäre alles alt und unmodern und kaum noch etwas los.«
Der Amselhof alt und unmodern? Ich konnte nicht glauben, dass das der wahre Grund für die Kündigung sein sollte.
»Und wo ziehen sie hin?«, fragte ich und steckte mir ein Stück Kuchen in den Mund.
»Hierhin«, sagte Papa von der Tür aus. Er warf ein paar zusammengefaltete Prospekte auf den Tisch und setzte sich wieder.
Christian klappte einen der Flyer auf und schnappte nach Luft.
»Der Sonnenhof«, las er laut vor. »Eine moderne und großzügige Reitsportanlage, verkehrsgünstig und zentral gelegen vor den Toren Frankfurts. Pah! Direkt an einem Industriegebiet und der Autobahnauffahrt!«
Mir blieb vor Schreck beinahe der Käsekuchen im Hals stecken und ich musste husten.
»Auf unserem familiär geführten Betrieb werden Sie und Ihr Pferd sich wohlfühlen, denn wir bieten alles, was das Reiterherz begehrt.« Christians Stimme klang angewidert. »Der ambitionierte Turnierreiter fühlt sich bei uns genauso wohl wie der Freizeitreiter … Qualifizierte Ausbildung und Förderung von Pferd und Reiter bis zur Klasse S …«
Mein Bruder zerknüllte den Prospekt und feuerte ihn auf den Boden.
»Da lachen doch die Hühner«, knurrte er zornig. »Moderne Reitsportanlage und qualifizierte Ausbildung, pah! Die haben auch keinen Dressurausbilder !«
»Auf jeden Fall liegen diese Prospekte beim Futtermittelhändler und in fast jedem Geschäft in der Gegend stapelweise aus. Außerdem gibt es in allen Pferdezeitschriften große Anzeigen für den Sonnenhof«, sagte Papa müde. »Es wäre mir egal, würde Jungblut uns damit nicht allmählich wirklich das Wasser abgraben. Allein in den letzten sechs Monaten sind vierzehn unserer Einsteller auf den Sonnenhof umgezogen. Und wir haben mehr als den halben Stall leer stehen.«
Ich spürte, wie sich mein Magen zu einem festen Knoten zusammenzog. Mir war mit einem Mal ganz elend zumute. Immer dann, wenn ich gerade hoffte, dass es eine winzig kleine Chance für Tim und mich geben könnte, musste irgendetwas passieren und diese Hoffnung zunichtemachen! Dieser Prospekt würde Christians Hass auf Tim noch größer werden lassen, falls eine Steigerung überhaupt noch möglich war.
»Dann machen wir eben auch Flyer und Anzeigen«, sagte mein Bruder heftig. »Was der kann, das können wir auch.«
»Nein, das können wir eben nicht«, widersprach Mama. »Diese Art Werbung kostet sehr viel
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