Elenium-Triologie
besser nicht darauf aufmerksam, daß wir ahnen, was er beabsichtigt.«
Sperber gab sich einen Ruck. Dann fragte er leise: »Wäre es nicht das beste, den Bhelliom auf der Stelle zu zerstören?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Lieber, wir brauchen ihn vielleicht noch.«
»Aber es wäre eine einfache Lösung.«
»Das stimmt nicht, Sperber.« Sie lächelte düster. »Wir wissen nicht, welche Kräfte bei der Vernichtung des Bhelliom frei werden. Wir könnten dabei einiges verlieren, was uns lieb und teuer ist.«
»Was?«
»Die Stadt Cimmura beispielsweise – oder den ganzen eosischen Kontinent. Wer vermag das schon zu sagen.«
6
Der Abend dämmerte bereits, als Sperber leise die Tür zum Schlafgemach seiner Königin öffnete, um nach ihr zu sehen. Ihr aschblondes Haar war in seiner ganzen Fülle über das Kopfkissen gebreitet und schimmerte im goldenen Schein der Kerze, die auf dem Nachttischchen brannte. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihre Züge waren entspannt.
Sperber hatte in der kurzen Zeit seit ihrer Erweckung erkannt, daß die Jugendjahre am korrupten Hof unter der Herrschaft Annias' Ehlanas Züge mit steter Wachsamkeit und einer eisernen Entschlossenheit geprägt hatten. Wenn sie schlief, war ihr Gesicht jedoch von der gleichen warmherzigen Sanftheit, mit der sie sich als Kind in sein Herz geschlichen hatte. Insgeheim mußte er sich eingestehen, daß er dieses blasse Mädchen liebte, obwohl es ihm immer noch schwerfiel, sich damit abzufinden, daß es inzwischen erwachsen geworden war. Ehlana war kein Kind mehr, sondern eine junge Frau, und die Versuchung war groß. Doch Sperber sah ein, daß er nicht der Richtige für sie war.
»Ich weiß, daß du da bist, Sperber.« Sie öffnete die Augen nicht, doch ein weiches Lächeln spielte um ihre Lippen. »Das mochte ich sehr, als ich noch ein Kind war, weißt du. Manchmal, vor allem dann, während du mir Unterricht in Theologie erteilt hast, döste ich ein – oder täuschte es vor. Du hast eine Zeitlang weitergeredet und schließlich ganz still dagesessen und mich angesehen. Dann fühlte ich mich immer so warm und geborgen und völlig sicher. Das waren die vielleicht glücklichsten Augenblicke meines Lebens. Und denk nur, wenn wir erst verheiratet sind, wirst du mir jede Nacht zusehen, wie ich in deinen Armen einschlafe, und ich weiß dann, daß nichts auf der Welt mir etwas anhaben kann, weil du immer da sein und auf mich aufpassen wirst.« Sie öffnete die stillen grauen Augen. »Komm her und küß mich, Sperber«, bat sie und streckte die Arme aus.
»Das ist nicht schicklich, Ehlana. Du liegst im Bett…«
»Wir sind verlobt, Sperber. Außerdem bin ich die Königin. Ich entscheide, was schicklich ist und was nicht.«
Sperber gab auf und küßte sie. Wie er bereits bemerkt hatte, war Ehlana ganz gewiß kein Kind mehr. »Ich bin zu alt für dich, Ehlana«, erinnerte er sie – und sich selbst – aufs neue. »Du weißt, daß ich recht habe, nicht wahr?«
»Unsinn!« Sie hatte die Arme um seinen Hals nicht gelockert. »Ich verbiete dir, alt zu werden. Ist es damit erledigt?«
»Das ist unsinnig. Genausogut kannst du versuchen, der Flut Einhalt zu gebieten.«
»Das habe ich noch nicht ausprobiert, Sperber. Also können wir nicht mit Gewißheit sagen, daß ich es nicht kann, richtig?«
Er lachte. »Ich gebe auf.«
»Oh, gut. Es macht mir großen Spaß zu gewinnen. Wolltest du mir etwas Wichtiges sagen? Oder hast du nur hereingeschaut, um deine viel zu alten Augen ein wenig zu erfreuen?«
»Ist es dir unangenehm?«
»Daß du mich gerne ansiehst? Natürlich nicht. Tu es nach Herzenslust, Liebster. Möchtest du noch mehr von mir sehen?«
» Ehlana! «
Sie lachte glockenhell.
»Wollen wir uns jetzt mit Ernsthafterem befassen?«
»Es war durchaus ernst gemeint, Sperber – sogar sehr ernst.«
»Die pandionischen Ritter, ich eingeschlossen, werden Cimmura bald verlassen müssen. Erzprälat Cluvonus' Lebenskräfte schwinden rasch, und sobald er verschieden ist, wird Annias nichts unversucht lassen, seine Nachfolge anzutreten. Die Straßen von Chyrellos sind voll von Soldaten, die ihm ergeben sind, und wenn die Ritterorden nicht rechtzeitig dort eintreffen, um Annias aufzuhalten, wird es ihm gelingen.«
Ihr Gesicht nahm wieder diesen harten Ausdruck an. »Warum reitest du nicht gleich mit diesem hünenhaften Thalesier, Ritter Ulath, nach Chyrellos und macht Annias einen Kopf kürzer? Und dann kehrst du umgehend zurück. Laß mir gar
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