Elenium-Triologie
nimmt ihre Pflichten und ihre Verantwortung sehr ernst. Sie würde uns gründlich die Meinung sagen, sollten wir ihr den Vorschlag machen, ausgerechnet jetzt ihre Hauptstadt im Stich zu lassen.«
»Mach sie betrunken«, schlug Kalten vor.
»Was?«
»Du möchtest ihr doch bestimmt nicht einfach eins überbraten, oder? Also mach sie beschwipst, wickle sie in eine Decke und binde sie auf einen Sattel.«
»Hast du den Verstand verloren? Es geht um die Königin, Kalten, nicht um eine deiner gewöhnlichen Schankdirnen!«
»Du kannst dich ja später entschuldigen. Wichtig ist nur ihre Sicherheit.«
»Vielleicht stellt sich dieses Problem gar nicht«, sagte nun Vanion. »Cluvonus lebt möglicherweise noch eine Weile. Er liegt immerhin schon seit Monaten im Sterben. Vielleicht überlebt er sogar Annias.«
»Das dürfte nicht so schwer sein«, warf Ulath düster ein. »Annias' Lebenserwartung ist jetzt nicht mehr so hoch.«
»Dürfte ich die Herren bitten, ihren Blutdurst einen Augenblick zu zügeln?« ersuchte Graf Lenda. »Ich halte es für das Wichtigste, sofort jemanden zu König Wargun nach Arzium zu senden, der ihn überzeugt, daß er die elenische Armee nach Elenien zurückschicken muß – und genügend Pandioner, um die Loyalität des Generalstabs zu garantieren. Ich werde ein Schreiben verfassen, das ihn eindringlichst darauf hinweist, daß wir die elenische Armee hier in Cimmura brauchen, und zwar so schnell wie möglich.«
»Ersucht ihn, auch die Ritterorden zurückzuschicken«, bat Vanion. »Ich glaube, wir werden sie in Chyrellos brauchen.«
»Es würde nicht schaden, wenn Ihr König Obler ebenfalls schreibt«, fügte Tynian hinzu. »Und Patriarch Bergsten. Gemeinsam können sie sich wahrscheinlich gegen ihn durchsetzen. Der König von Thalesien säuft und führt gern Krieg, aber er ist trotzdem immer noch durch und durch Politiker. Er wird einsehen, wie wichtig es ist, Cimmura zu schützen und sofort die Kontrolle über Chyrellos zu übernehmen – wenn es ihm jemand klarmacht.«
Lenda nickte bestätigend.
»Doch all das löst unser Problem nicht, meine Herren«, gab Bevier zu bedenken. »Der Kurier, den wir zu Wargun schicken, ist möglicherweise noch keinen Tag unterwegs, wenn wir Bescheid erhalten, daß der Erzprälat gestorben ist. Dann befinden wir uns wieder in der gleichen Lage. Sperber wird eine unwillige Königin überreden müssen, ihre Hauptstadt zu verlassen, ohne daß eine unmittelbare Gefahr erkennbar wäre.«
»Blast in ihr Ohr«, riet Ulath.
»Wie meint Ihr?«
»Normalerweise hilft es«, versicherte ihm der Genidianer, »zumindest in Thalesien. Ich habe einmal in Emsat einem Mädchen ins Ohr geblasen, woraufhin es mir tagelang wie ein Hündchen gefolgt ist.«
»Das ist abscheulich!« entrüstete Sephrenia sich.
»Oh, ich weiß nicht«, entgegnete Ulath, »ihr schien es Spaß zu machen.«
»Habt Ihr sie auch am Kopf getätschelt und unter dem Kinn gekrault – wie ein Hündchen?«
»Auf den Gedanken bin ich gar nicht gekommen«, gestand Ulath. »Glaubt Ihr, sie hätte es gemocht?«
Sephrenia fluchte auf styrisch.
»Wir kommen vom Thema ab«, rügte Vanion. »Wir können die Königin nicht zwingen, Cimmura zu verlassen, und ebensowenig können wir sicher sein, daß genügend Truppen die Stadt erreichen, ehe wir abberufen werden.«
»Ich glaube, eine Streitmacht, die imstande ist, die Mauern zu halten, ist bereits hier, Hochmeister Vanion«, meldete Talen sich zu Wort. Der Junge trug die elegante Kleidung – Wams und enges Beinkleid –, mit der Stragen ihn in Emsat ausstaffiert hatte. Er sah wie ein junger Edelmann aus.
»Unterbrich uns nicht«, tadelte Kurik ihn. »Es ist eine sehr ernste Angelegenheit! Wir haben jetzt wirklich keine Zeit für kindische Späße!«
»Laßt ihn doch sprechen, Kurik«, bat der Graf von Lenda gespannt. »Gute Ideen können manchmal von völlig unerwarteter Seite kommen. Was ist das für eine Streitmacht, die du gemeint hast, mein Junge?«
»Die Bürger«, antwortete Talen ruhig.
»Das ist verrückt, Talen!« Kurik schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht ausgebildet.«
»Wieviel Ausbildung bedarf es denn, siedendes Pech auf die Köpfe von Belagerern zu gießen?« fragte Talen.
»Das ist ein sehr interessanter Einfall, junger Mann«, lobte Lenda. »Nach Königin Ehlanas Krönung kam es tatsächlich zu machtvollen Sympathiekundgebungen. Es könnte durchaus sein, daß die Einwohner von Cimmura – und der umliegenden Ortschaften – ihr
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