Elenium-Triologie
Er wußte, daß etwas sehr Wichtiges aus seinem Leben verschwunden sein würde, sobald er Bhelliom ins Meer geworfen hatte, und daß ihn bis zu seinem Tod ein Gefühl der Leere begleiten würde, das zwar mit den Jahren schwächer werden, aber nie völlig erlöschen würde. Er wappnete sich und beschwor den Schmerz des Verlustes herbei, als könne er solcherart lernen, ihn zu ertragen. Dann holte er weit aus und warf die kleine stählerne Schatulle mit aller Kraft hinaus auf das stürmische Meer.
Die Schatulle flog über die schäumenden Wellen und fing zu glühen an, weder rot, noch blau, noch in einer anderen Farbe, sondern in einem reinen, leuchtenden Weiß. Weit flog sie, weiter als irgendein Mensch sie hätte werfen können, und fiel dann wie eine Sternschnuppe in weitem, anmutigem Bogen in die wogende See.
»Wär's das?« fragte Kalten. »Ist unsere Aufgabe erfüllt?«
Flöte nickte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ihr dürft jetzt zurückkehren«, sagte sie. Sie setzte sich unter den Baum und zog traurig ihre Syrinx aus dem Kittel hervor.
»Kommst du denn nicht mit?« fragte Talen.
»Nein.« Sie seufzte. »Ich bleibe eine Weile hier.« Dann setzte sie die Hirtenflöte an die Lippen und blies eine schwermütige Weise.
Sie waren erst ein kurzes Stück geritten und hatten die klagenden Töne noch im Ohr, als Sperber über die Schulter blickte. Der Baum war noch da, Flöte jedoch nicht. »Sie hat uns wieder verlassen«, sagte er zu Sephrenia.
»Ja, Lieber.« Sie seufzte.
Der Wind nahm zu, als sie von der Landzunge ritten, und eisige Gischt sprühte auf sie hinunter. Sperber versuchte, die Kapuze seines Umhangs tiefer ins Gesicht zu ziehen, doch es nutzte nichts. Der peitschende Gischt fand trotzdem seine Wangen und Nase.
Sein Gesicht war noch naß, als er abrupt erwachte und sich aufsetzte. Er wischte sich das Salzwasser ab und langte unter seinen Kittel.
Bhelliom war nicht mehr da!
Er würde mit Sephrenia sprechen müssen, doch zuerst wollte er etwas feststellen. Er stand auf und trat aus dem Haus, in dem sie ihr Nachtlager gefunden hatten. Zwei Türen weiter an der Straße befand sich der Pferdestall, in dem sie das Fuhrwerk mit Kuriks Leichnam untergestellt hatten. Sperber zog behutsam die Decke vom Kopf seines toten Freundes und berührte das kalte Gesicht.
Es war naß, und als Sperber einen Tropfen kostete, erkannte er, daß es Meerwasser war. Lange Zeit blieb er reglos neben dem toten Freund sitzen, während sein Verstand es zu begreifen suchte. Die vereinten Kräfte der Jüngeren Götter von Styrikum waren offenbar zu allem imstande. Er gab es schließlich auf, nach einer Erklärung für das Geschehene zu suchen. Traum oder Wirklichkeit oder etwas dazwischen – was spielte es schon für eine Rolle? Bhelliom war jetzt in Sicherheit, und das war das einzig Wichtige.
Sie ritten südwärts nach Korakach und weiter nach Gana Dorit. Dort wandten sie sich nach Westen in Richtung Kadum an der lamorkischen Grenze. Sobald sie das Tiefland erreichten, begegneten ihnen immer wieder ostwärts fliehende zemochische Soldaten. Sie hatten keine Verwundeten dabei, was darauf schließen ließ, daß sie nicht aus einer Schlacht kamen.
Die Gefährten verspürten kein Gefühl des Triumphes oder des Sieges auf ihrem Ritt. Die Schneeflocken waren zu Regentropfen geworden, als sie aus dem Hochland hinunterritten, und das Weinen des Himmels paßte zu ihrer Stimmung. Sie tauschten keine fröhlichen Geschichten aus wie sonst, und sie machten keine Späße, während sie westwärts ritten. Sie alle waren müde und erschöpft, und sie wollten nur noch eins, nach Hause.
König Wargun lagerte mit einer riesigen Armee in Kadum. Dort wartete er darauf, daß das Wetter besser wurde und der aufgeweichte Boden trocknete. Sperber und seine Gefährten wurden zu seinem Hauptquartier geführt, das – bei Wargun zu erwarten –, in einem Wirtshaus untergebracht war.
»Na, das nenne ich eine Überraschung«, sagte der nicht mehr ganz nüchterne Monarch von Thalesien zu Patriarch Bergsten, als Sperber und seine Freunde eintraten. »Ich hätte nie gedacht, daß ich sie wiedersehen würde. Ho, Sperber! Kommt ans Feuer, trinkt was mit mir und erzählt, was ihr erlebt habt.«
Sperber nahm den Helm ab und schritt über den binsenbedeckten Gaststubenboden. »Wir ritten in die Stadt Zemoch, Majestät«, berichtete er knapp. »Dort töteten wir Otha und Azash. Dann machten wir uns auf den Rückweg.«
Wargun blinzelte. »Das
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