Elenium-Triologie
Wie üblich blieb Berit ein Stück zurück, um Ausschau nach Verfolgern zu halten.
Sperber war in gedrückter Stimmung. Er hatte das Gefühl, er versuchte seit Wochen in Treibsand zu laufen. Wie nahe er auch an den Stein gelangte, der seine Königin retten würde – irgend etwas, das ihn zwang, von seinem Ziel abzuweichen, war immer dazwischen gekommen. Beinahe so etwas wie finsterster Aberglaube quälte ihn. Sperber war Elenier und Ordensritter. Er war dem elenischen Glauben zumindest nominell verpflichtet, und dieser Glaube lehnte strikt alles ab, was auch nur im entferntesten mit dem zu tun hatte, was die Kirche »Götzenanbetung« nannte. Aber Sperber war weit und viele Jahre lang in der Welt herumgekommen und hatte zuviel gesehen, um den Geboten seiner Kirche blind zu gehorchen. Ihm war bewußt, daß er auf vielerlei Weise zwischen absolutem Glauben und vollkommener Skepsis stand. Irgend etwas, irgendwo, versuchte verzweifelt, ihn vom Bhelliom fernzuhalten, und er glaubte zu wissen, was dieses Etwas, oder dieser Jemand war – aber weshalb sollte Azash der jungen Königin von Elenien so feindlich gesinnt sein? Grimmig dachte Sperber an Armeen und Kriegszüge. Falls Ehlana starb, das schwor er sich, würde er Zemoch von der Karte tilgen, dann würde nicht eine Sterbensseele Azash noch anbeten.
Sie erreichten Venne kurz nach Mittag am folgenden Tag und kehrten durch die düsteren Straßen zu dem ihnen inzwischen vertrauten Gasthof zurück. »Warum kaufen wir ihn nicht gleich?« meinte Kalten, als sie auf dem Hof absaßen. »Es kommt mir allmählich so vor, als hätte ich Zeit meines Lebens hier gewohnt.«
»Geh schon und kümmere dich um unsere Unterbringung«, wies Sperber ihn an. »Kurik und ich sehen uns unten am Ufer nach einem Boot um, bevor es dunkel wird.«
Der Ritter und sein Knappe schritten die Kopfsteinstraße zum See hinab.
»Die Stadt wird auch nicht hübscher, wenn man sie besser kennt«, bemerkte Kurik.
»Wir sind schließlich nicht der schönen Aussicht wegen hier«, knurrte Sperber.
»Was hast du denn, Sperber?« fragte Kurik. »Schon seit ungefähr einer Woche hast du miserable Laune.«
»Die Zeit, Kurik.« Sperber seufzte. »Die Zeit. Manchmal kann ich regelrecht spüren, wie sie mir durch die Finger rinnt. Wir waren nur noch ein paar Fuß vom Bhelliom entfernt, dann mußten wir zusammenpacken und aufbrechen. Meine Königin kommt Stunde um Stunde dem Tod näher, und immer wieder stellt sich mir etwas in den Weg. Das Verlangen, ein paar Schädel einzuschlagen, wird schier übermächtig in mir.«
»Schau nicht mich an!«
Sperber lächelte schwach. »Ich glaube, du bist sicher vor mir, mein Freund.« Voll Zuneigung legte er eine Hand auf Kuriks Schulter. »Wenn schon aus keinem anderen Grund, dann deshalb, weil ich nicht sicher wäre, wie eine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen uns ausgehen würde.«
»Das ginge mir auch so«, brummte Kurik. Dann wies er mit der Hand. »Da drüben!«
»Was – da drüben?«
»Die Schenke. Bootseigner gehen dort ein und aus.«
»Wie willst du das wissen?«
»Ich hab' gerade einen gesehen. Boote kriegen hin und wieder Lecks, und die werden normalerweise mit Teer abgedichtet. Wenn man einen Mann mit Teer am Kittel sieht, kann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß er was mit Booten zu tun hat.«
»Manchmal bist du wirklich eine wahre Quelle des Wissens, Kurik.«
»Ich bin schon ziemlich lange auf der Welt, Sperber. Wer die Augen offenhält, kann eine Menge lernen. Wenn wir hineingehen, dann überlaß das Reden mir. So geht's schneller.«
Kuriks Gang wurde plötzlich erstaunlich breitbeinig, und er stieß die Schenkentür mit unnötiger Heftigkeit auf. »Hallo, Kameraden«, grüßte er mit schnarrender Stimme. »Hat uns das Glück etwa zu einer Schenke geführt, wo sich Männer einfinden, die auf dem Wasser arbeiten?«
»So ist es, Freund«, versicherte der Wirt ihm.
»Dem Himmel sei Dank.« Kurik seufzte erleichtert. »Ich trink' nicht so gern mit Landratten. Die reden von nichts anderem als vom Wetter und was sie angebaut haben. Und wenn man gesagt hat, daß es wolkig ist und die Rüben gut wachsen, sind alle Möglichkeiten für ein Gespräch auch schon erschöpft.«
Die Gäste in der Schankstube lachten zustimmend.
»Verzeiht meine Neugier«, entschuldigte sich der Wirt, »aber Eure Sprache scheint mir die eines Salzwassermanns zu sein.«
»Ihr habt es erkannt, Freund«, bestätigte Kurik. »Und wie sehr mir der Geruch der salzigen
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