Elenium-Triologie
See.
»Ihr habt mich nicht verstanden! Ich meine, warum reiten wir nicht nach Venne und mieten ein Boot? Der Sucher wird unserer Fährte nach Venne folgen, aber über Wasser kann er unsere Spur bestimmt nicht wittern, oder? Er wird vor Venne warten, bis wir den Ort wieder verlassen, während wir längst hier sind. So können wir ungestört nach dem Bhelliom suchen, bis wir ihn endlich finden.«
»Das ist keine schlechte Idee!« lobte Kalten.
»Hat Ulath recht?« fragte Sperber Sephrenia. »Wird der Sucher unsere Spur verlieren, wenn wir auf dem Wasser reisen?«
»Ich glaube schon«, antwortete sie.
»Gut. Dann versuchen wir es.«
Nach einem kargen Abendessen legten sie sich nieder.
Bei Sonnenaufgang gönnten sie sich ein rasches Frühstück; dann stakten sie das Floß zu den Markierungen an jenen Stellen, wo sie am vergangenen Tag mit der Suche aufgehört hatten. Sie verankerten das Floß und glitten wieder in das kalte Wasser, um den Seeboden mit den Füßen abzutasten.
Es war fast Mittag, als Berit unweit von Sperber auftauchte, der Wasser trat, um Luft zu holen. »Ich glaube, ich habe etwas gefunden«, keuchte der Novize. Er atmete tief ein; dann tauchte er kopfüber wieder in die Tiefe. Nach einer für alle langen Minute kam er hoch. Doch er hielt keine Krone in der Hand, sondern einen verfärbten Totenschädel, den er auf das Floß legte. Sperber blinzelte zur Sonne hinauf und fluchte. Dann folgte er Berit zum Floß und zog sich hoch. »Schluß für heute!« rief er Kalten zu, dessen Kopf soeben aus dem Wasser stieß. »Wir können nicht länger bleiben. Gib den anderen Bescheid, wir müssen ans Ufer zurück.«
Wieder auf festem Boden, untersuchte der sonnenverbrannte Ulath neugierig den Schädel. »Kommt mir arg lang und schmal vor«, stellte er fest.
»Das liegt daran, daß er ein Zemocher war«, erklärte Sephrenia.
»Ist er ertrunken?« fragte Berit.
Ulath schabte ein wenig Schlamm vom Totenschädel; dann steckte er einen Finger in eine Öffnung im linken Schläfenbein. »Nicht mit diesem Loch im Kopf.« Er stapfte zum Strand hinunter und wusch den Schlamm von Jahrhunderten aus dem Schädel. Auf dem Rückweg schüttelte er ihn. Etwas ratterte im Innern. Der thalesische Hüne legte ihn auf den Steinhaufen über dem Grab des Herzogs von Heid, griff nach einem Stein und schlug damit den Totenschädel so gleichmütig auf, als knacke er eine Walnuß. »Jemand hat ihm einen Pfeil ins Hirn geschossen, wahrscheinlich vom Ufer aus.« Er streckte Tynian die rostige Pfeilspitze entgegen. »Sagt sie Euch was?«
»Es ist deiranische Arbeit«, erklärte Tynian, nachdem er sie eingehend betrachtet hatte.
Sperber dachte nach. »In Ghaseks Chronik stand, daß alzionische Ritter aus Deira des Weges kamen und die Zemocher töteten, die König Saraks Gefolgsmann verfolgt hatten. Wir können ziemlich sicher sein, daß die Zemocher gesehen haben, wie der Herzog von Heid die Krone in den See warf. Sie haben zweifellos sofort versucht, sie herauszufischen. Und zwar genau an der Stelle, wo sie ins Wasser gefallen ist! Und jetzt finden wir den da mit einem deiranischen Pfeil im Kopf. Es ist nicht schwierig, sich auszumalen, was passiert ist. Berit, wißt Ihr die Stelle, wo Ihr den Schädel gefunden habt?«
»Auf ein paar Fuß genau, Ritter Sperber. Ich habe mich nach dem Ufer orientiert. Es war in gerader Linie zu dem Baumstumpf dort drüben, etwa dreißig Fuß seewärts.«
»Dann haben wir es!« rief Sperber begeistert. »Die Zemocher tauchten nach der Krone, und die Alzioner kamen daher und deckten sie vom Ufer aus mit Pfeilen ein. Dieser Schädel lag wahrscheinlich nicht viel mehr als ein paar Meter vom Bhelliom entfernt.«
»Dann wissen wir jetzt, wo er zu finden ist«, sagte Sephrenia.
»Wir kommen später zurück und holen ihn.«
»Aber…«
»Wir müssen auf der Stelle fort von hier, Sperber. Es wäre viel zu gefährlich, wenn der Sucher gerade in dem Augenblick hierher käme, da wir den Bhelliom bergen.«
Widerwillig gab Sperber bei sich zu, daß Sephrenia recht hatte. »Also gut«, sagte er enttäuscht, »brechen wir das Lager ab und verschwinden. Wir werden Kettenrüstung statt Panzer tragen, damit wir weniger auffallen. Ulath, schiebt das Floß zurück in den See. Wir wollen alle Spuren beseitigen, die verraten könnten, daß wir hier waren, und zurück nach Venne reiten.«
Nach etwa einer halben Stunde konnten sie sich bereits in ihre Sättel schwingen. Im Galopp ritten sie nördlich am See entlang.
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