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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Yates
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hängt.
     »Also, Bernie«, sagte ich, »es tut mir schrecklich leid, daß sie krank war, und bitte richten Sie ihr unsere ... «
     Ja, was? Glückwünsche? Genesungswünsche? Beides, so schien mir plötzlich, hätte eine unverzeihliche Andeu- tung von Herablassung. »Richten Sie unsere herzlichen Grüße aus«, sagte ich und biß mir sofort auf die Lippe aus Angst, daß dies am herablassendsten von allem geklun- gen hatte.
     »Werde ich! Werde ich! Das werde ich auf jeden Fall tun, Bob«, sagte er, und ich freute mich, es so ausgedrückt zu haben. »Aber weswegen ich anrufe ist folgendes.« Er lachte in sich hinein. »Keine Sorge, es geht nicht um Poli- tik. Also. Jetzt arbeitet ein wirklich schrecklich talentier- terjunge für mich, Bob. Er ist ein richtiger Künstler.«
     Und großer Gott, was für ein kränkliches, kompliziertes Ding ist doch das Herz eines Schriftstellers! Denn wissen Sie, was ich empfand, als er das sagte? Ich war ein klein bißchen eifersüchtig. Er war ein »Künstler«? Ich würde der Welt beweisen, wer in dieser kleinen Schreib Werkstatt der verdammte Künstler war.
     Aber Bernie sprach sofort weiter über »Strips« und »Lay- out«, und ich war in der Lage, meinen Konkurrenzneid zugunsten der alten, verläßlichen ironischen Distanz auf- zugeben. Was für eine Erleichterung!
     »Oh, Sie meinen einen Künstler. Einen Comic-strip- Zeichner. «
     »Genau. Bob, Sie sollten sehen, wie der Junge zeichnen kann. Wissen Sie, was er tut? Er zeichnet mich so, daß ich aussehe wie ich, aber auch ein bißchen wie Wade Man- ley. Können Sie sich das vorstellen?«
     »Klingt gut, Bernie.« Und jetzt, da die alte Distanz wie- derhergestellt war, wurde mir klar, daß ich aufpassen mußte. Vielleicht brauchte er keine Geschichten mehr – er hatte wahrscheinlich eine ganze Kredenz voll Manu- skripte, die der Künstler als Vorlage benutzen konnte –, aber er brauchte vermutlich immer noch einen Schreiber, der die »Rahmenhandlung« oder wie immer es hieß und den Text für die Sprechblasen schrieb, und ich würde ihm jetzt beibringen müssen, so sanft und höflich wie mög- lich, daß nicht ich es sein würde.
     »Bob«, sagte er, »da baut sich wirklich etwas auf. Dr. Corvo hat sich die Zeichnungen angesehen und gesagt: ›Bernie, vergiß die Zeitschriften, vergiß die Bücher. Du hast die Lösung gefundene«
     »Also, das klingt wirklich gut, Bernie.«
     »Und Bob, jetzt der Grund, warum ich anrufe. Ich weiß, daß Sie viel zu tun haben bei UP, aber ich habe mich gefragt, ob Sie Zeit hätten, ein bißchen was –«
     »Ich arbeite nicht mehr bei UP, Bernie.« Und ich er- zählte ihm von meiner neuen Arbeit.
     »Na, das klingt ja, als ob Sie es in der Welt zu etwas bringen würden, Bob«, sagte er. »Glückwunsch.«
     »Danke. Jedenfalls glaube ich nicht, Bernie, daß ich jetzt für Sie etwas schreiben kann. Ich meine, ich würde es natürlich gern tun, darum geht es nicht, aber das Baby beansprucht viel Zeit, und dann habe ich noch meine private Arbeit – ich schreibe jetzt an einem Roman –, und ich glaube, daß ich nicht noch etwas annehmen sollte.«
    »Oh. Also, okay, Bob. Kein Problem. Ich habe nur ge-
    dacht, daß es wirklich eine Chance für uns wäre, wenn Sie Ihre ... Sie wissen schon, Ihre schriftstellerischen Ta- lente einbringen würden.«
     »Es tut mir wirklich leid, Bernie, und ich wünsche Ihnen viel Glück.«
     Sie haben wahrscheinlich schon erraten, was mir, ich schwöre es, frühestens eine Stunde, nachdem ich mich von ihm verabschiedet hatte, aufging: daß Bernie mich diesmal nicht als Schreiber gewollt hatte. Er hatte gedacht, ich wäre noch bei UP und deshalb ein unschätzbarer Kontakt zum Herzen der Comic-strip-Zeitungsseiten.
     Ich erinnere mich noch genau, was ich tat, als mir die- se Erkenntnis dämmerte. Ich wechselte die Windel des Babys, blickte hinunter in ihre runden, wunderschönen Augen, als erwartete ich, daß sie mir gratulierte oder dankte, weil ich wieder einmal die schreckliche Möglich- keit umschifft hatte, ihr mit der Spitze der Sicherheits- nadel in die Haut zu stechen – damit war ich beschäftigt, als ich daran dachte, wie seine Stimme gezögert hatte, als er sagte: »... daß es wirklich eine Chance für uns wäre, wenn Sie Ihre ...«
     Während dieser winzigen Pause mußte er alle ausgefeil- ten Baupläne aufgegeben haben, die die Wendung »Ihre Kontakte bei UP« enthalten hätte (und er wußte nicht, daß ich gefeuert worden war; soweit

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