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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Yates
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sches Geschwätz, Bob. Ich meine eine richtige kleine Geschichte.«
     »Bernie, ich sehe nicht, wie das funktionieren sollte. Man kann keine ›Geschichte‹ schreiben, warum jemand der Mann ist, den wir im Kongreß brauchen.«
     »Wer sagt das?«
     »Und außerdem habe ich geglaubt, daß Sie und Rose Republikaner sind.«
     »Auf der Bundesebene, ja. Aber nicht auf der lokalen, nein.«
     »Aber, Bernie, wir hatten gerade Wahlen. Es wird erst wieder in zwei Jahren gewählt.«
     Er tippte sich an die Schläfe und machte eine aus- holende Geste, um zu zeigen, daß es sich in der Politik lohnte, vorauszudenken.
     Joan stand in der Kochnische, spülte das Frühstücks- geschirr und bereitete das Abendessen vor, und ich schaute hilfesuchend zu ihr, aber sie wandte mir den Rücken zu.
    »Es klingt einfach nicht richtig, Bernie. Ich weiß nichts
    über Politik.«
     »Na und? Weiß, Scheiß. Was gibt's da zu wissen? Wis- sen Sie was übers Taxifahren?«
     Nein; und ich wußte verdammt noch mal auch nichts über die Wall Street – Wall Street, Schmall Street! –, aber das war eine andere kleine deprimierende Geschichte. »Ich weiß nicht, Bernie; im Moment ist alles ungewiß. Ich glaube, daß ich zur Zeit besser keine Aufträge mehr annehme. Ich meine, zum einen werde ich vielleicht ...« Aber ich brachte es nicht über mich, ihm von meinen Schwierigkeiten bei UP zu erzählen, deswegen sagte ich: »Zum einen bekommt Joan ein Baby, und alles ist irgend- wie –«
     »Wow! Also, das ist ja großartig!« Er stand auf und schüttelte mir die Hand. »Das ist – ja – großartig. Herz- lichen Glückwunsch, Joanie!« Mir schien es damals etwas übertrieben, aber vielleicht ist das die Art, wie ein kinder- loser Mann mittleren Alters so eine Neuigkeit aufnimmt.
     »Also, hören Sie, Bob«, sagte er, als wir uns wieder setz-
    ten. »Diese Poletti-Sache ist ein Kinderspiel für Sie, und ich sage Ihnen noch was. Da es eine einmalige Sache ist und es keine Beteiligung geben wird, zahle ich zehn statt fünf. Abgemacht?«
     »Moment mal, Bernie. Ich brauche mehr Information. Ich meine, was genau tut der Mann für die Leute?«
     Und bald war klar, daß Bernie kaum mehr über Vincent J. Poletti wußte als ich. Er war ein echter Diener des Volkes, das war alles; er tat alles, um den Menschen zu helfen. »Oh, Bob, hören Sie. Was macht das schon? Wo bleibt Ihre Phantasie? Bislang haben Sie auch keine Hilfe gebraucht. Hören Sie. Was Sie da gerade gesagt haben, bringt mich sofort selbst auf eine Idee. Ich fahre Taxi; zwei junge Leute winken mich vor dem Mütterheim zu sich, ein junger Veteran und seine Frau. Sie haben dieses winzig kleine Baby, drei Tage alt, und sie sind überglück- lich. Aber es gibt ein Problem. Der Junge hat keine Arbeit. Sie sind gerade erst hergezogen, sie kennen niemanden, vielleicht sind sie Puertoricaner oder so etwas, sie haben ihr Zimmer für eine Woche bezahlt, mehr haben sie nicht. Dann sind sie pleite. Ich soll sie nach Hause fah- ren, sie wohnen in meinem Viertel, wir reden miteinan- der, und ich sage: ›Hört mal, Kinder, ich bringe euch zu einem Freund von mir.‹«
     »Abgeordneter Vincent J. Poletti.«
     »Klar. Nur daß ich ihnen seinen Namen noch nicht
    nenne. Ich sage ›ein Freund von mir‹. Wir fahren hin, ich gehe rein und erzähle Poletti alles, und er kommt raus und spricht mit den jungen Leuten und gibt ihnen Geld oder so. Verstehen Sie? Da haben Sie einen großen Teil Ihrer Geschichte schon.«
     »Ja, aber einen Moment noch, Bernie.« Ich stand auf und begann auf dramatische Weise auf und ab zu schrei- ten, so wie es die Leute bei Drehbuchbesprechungen in Hollywood tun sollten. »Warten Sie. Nachdem er ihnen Geld gegeben hat, steigt er in Ihr Taxi, und Sie fahren mit ihm auf dem Grand Concourse davon, und die zwei jun- gen Puertoricaner stehen auf dem Gehsteig und sehen sich an, und das Mädchen sagt: ›Wer war der Mann?‹ Und der Junge blickt ganz ernst drein und sagt: ›Liebling, das weißt du nicht? Hast du nicht bemerkt, daß er eine Maske trug?‹ Und sie sagt: ›Oh, nein, es kann doch nicht der –‹ Und er sagt: ›Doch, doch, er war es. Liebling, das war der Einsame Abgeordnete.‹ Und hören Sie! Wissen Sie, was als nächstes passiert? Hören Sie! Aus einem Block Entfernung hören sie eine Stimme, und wissen Sie, was die Stimme ruft?« Ich ließ ein zitterndes Knie zu Boden sinken, um die Pointe zu bringen. »Sie ruft: ›Hi-yo, Bernie Sil ver – auf

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