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Elf Zentimeter

Elf Zentimeter

Titel: Elf Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Scheiblecker
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einen Fehler. Sie sollten nicht nur kontrollieren, ob die Kürze eines Schwanzes eine Operation überhaupt rechtfertigte. Sie sollten auch kontrollieren, ob ein Patient überhaupt unter ausreichend hohem Leidensdruck dafür stand.
    Mein Leidensdruck war doch ziemlich bescheiden in letzter Zeit, besonders seit ich meinen Job angetreten und Tatjana kennengelernt hatte. Ich hatte eher aus Gewohnheit gelitten. Mein Leben würde ab jetzt tatsächlich besser werden, nur auf eine andere Art, als ich es geplant hatte. Ich fing ein bisschen zu zittern an bei diesem Gedanken.
    Ich fragte mich, was ich als Nächstes tun sollte. Schließlich beschloss ich, mit dem Wichtigsten anzufangen. Ich stieg in den Wagen und fuhr am Heimweg über Wien. Dort riss ich das Geldkuvert auf, kaufte mir eine gebrauchte Suzuki GSX 750, räumte sie in den Wohnwagen und fuhr wie in einem Siegeszug heim nach Hainfeld.
    Regel Nummer sechs, dachte ich, ist die entscheidende:
    6.
Ist ein Mann zufrieden mit seinem Schwanz,
hinterfragt keine Frau dessen Länge.

[home]
    35
    A ls ich Tatjana nach meiner Rückkehr in die Arme schloss, dachte ich an eine Belehrung auf der Homepage der Klinik. Gemeinhin hieß es, dass der empfindliche Teil der Vagina nicht tiefer als sieben Zentimeter ist und dass deshalb ein kleiner Penis völlig ausreicht. Die Betreiber der Klinik, die ihre Operationen verkaufen wollten, argumentierten anders. Die Nerven in der Vagina würden dann am besten stimuliert, wenn sie langem gleitenden Druck ausgesetzt wären. Weshalb Männer mit einem großen Schwanz sexuell im Vorteil seien.
    Ich hatte eine letzte Gnadenfrist. Die Weihnachtsfeiertage verbrachten Tatjana und ich getrennt. Sie war bei ihrer Familie und ich zum Teil bei meiner und zum Teil mit Johanna und Fabian bei Johannas Familie. Dort saß ich in Anzug und Krawatte unterm Weihnachtsbaum, den ebenfalls piekfein herausgeputzten Fabian am Schoß, und kam mir zum ersten Mal in meinem Leben wie ein Familienvater vor. Es passte. Johanna förderte meine Beziehung zu Fabian und akzeptierte, dass ich mit ihr keine Beziehung aufbauen wollte. Sie wirkte gut gelaunt und glücklich. Vielleicht hatte sie auch jemanden kennengelernt. Johannas Eltern waren weniger locker. Sie behandelten mich konsequent wie einen Schwiegersohn. Sie machten Anspielungen von wegen Heiraten, was sowohl mir als auch Johanna die Schamesröte ins Gesicht trieb. Ich ließ es über mich ergehen und hing indessen meinen eigenen Gedanken nach. Beim Karpfen mit Kartoffelsalat zum Beispiel dachte ich darüber nach, dass es Vorlieben für alles gab. Manche Frauen standen auf Hünen, manche auf kleine drahtige Typen, manche standen auf viel ältere Typen und andere ließen sich auspeitschen oder kratzen, wieder andere wollten den Mann erniedrigen. Vielleicht, dachte ich, gibt es auch Frauen mit einer eindeutigen Vorliebe für kleine Schwänze. Ich kannte keine. Aber es war doch alles möglich. Vielleicht mochte Johanna zum Beispiel kleine Schwänze? Sie war in jener Nacht nicht halb so betrunken gewesen wie ich und musste sich noch erinnern, wie klein mein Schwanz war. Trotzdem hatte sie vorgeschlagen, dass wir gemeinsam lebten, als Mann und Frau. Vielleicht gerade deshalb? Ich betrachtete ihre Eltern. Ein freundliches Ehepaar, durchaus offen und tolerant, bloß konnten die beiden ihre Elternrolle nicht für das Patchworkkonzept ihrer Tochter adaptieren. Sie wären wahrscheinlich die perfekten Schwiegereltern. Wenn Johanna tatsächlich speziell auf kleine Schwänze steht, dann gibt es auch andere mit so einer Vorliebe, dachte ich. Also könnte ich vielleicht noch als Short Dong Blue Bettkarriere machen.
    »Noch Kartoffelsalat?«, fragte Johannas Mutter.
    Ich legte die Hände auf meinen Bauch.
    »Ich hatte schon mehr davon, als mir gut tut«, sagte ich.
    »Er ziert sich nur, dann haut er doch rein«, sagte Johanna.
    Ihr Vater zwinkerte mir zu.
    Ich war froh, als ich heimkam und selbst Kind sein durfte. Das Geschenk meiner Großmutter packte ich als Erstes aus, um noch mit unverbrauchter Energie Freude mimen zu können. Es war ein Buch. Ich traute meinen Augen nicht.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    Mein Vater sah mir über die Schultern.
    »Das Kamasutra mit farbigen Abbildungen«, sagte er.
    Er tat so, als wäre das die normalste Sache der Welt. Ich wagte nicht, meine Großmutter anzusehen.
    »Weil du jetzt schon so ein großer Bub bist …«, sagte meine Großmutter fröhlich.
    Meine Mutter bemerkte meine

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