Elf Zentimeter
ins Rotlichtmilieu gelangt war, brillierte mit bemerkenswertem Wissen. Während ich bei einem undeutlichen Bild Winston Churchill mit Alfred Hitchcock verwechselte, erkannte sie jeden der Männer sofort und stellte ihn unverzüglich in den richtigen historischen Kontext.
»Warum genau willst du die Schwanzlängen von all den Kerlen wissen?«, fragte sie.
»Ich schreibe ein Buch über das Thema«, sagte ich. »Von der Pornoindustrie wird doch ein komplett falsches Bild gezeichnet. Die meisten Männer denken deshalb, dass ihr Schwanz zu kurz ist. Ich will ihnen sagen: Die meisten anderen haben auch keinen viel längeren. Ihr seid in Ordnung, so wie ihr seid.«
Das fanden sie gut. Penelope, die Dritte im Bunde, meinte, dass es Frauen nicht besser ginge. Ihnen würde die Werbung falsche Schönheitsideale vorspielen.
»Irgendwann lässt man sich dann von Schönheitschirurgen verstümmeln«, sagte sie.
»Genau«, sagte ich.
Penelope war Deutsche und noch im operativen Geschäft.
Die drei waren sich bei den meisten Männern ziemlich einig. Eine von ihnen zeigte jeweils mit den Fingern, wie lang sie einen Schwanz einschätzte, dann erfolgte in der Diskussion die Feinabstimmung. Schließlich nahm ich ein Lineal zur Hand und maß die Abstände zwischen den Fingerspitzen der Frauen. Ich maß an den Fingerkuppen, nicht an den Enden der Fingernägel, was im Fall von Penelope einen Unterschied von mindestens zwei Zentimetern pro Mann ausgemacht hätte. Uneinigkeit bestand lediglich in einem Fall, nämlich bei Stan Laurel.
»Bei so einem Typ ist es russisches Roulette«, sagte Penelope. »Der kann gar nichts in der Hose haben oder einen riesigen Prügel.«
Eine Weile führten sie ein Insidergespräch. Sie zogen Vergleiche zu völlig unterschiedlich ausgestatteten Herrn, die sie offenbar alle kannten. »Kein Ergebnis«, vermerkte ich schließlich bei Stan Laurel.
Neben den Längenangaben bewertete meine Jury auch Dicke und Schönheit der betreffenden Schwänze, wobei Adjektive wie »mundgerecht«, »appetitlich«, »verkrümmt« oder einfach »hässlich« fielen. Den Schwanz von Goebbels etwa schätzten die Frauen als »extrem dünn und spitz wie eine Nadel« ein, bei Christoph Kolumbus sprachen sie von einem »Sacherwürstel«, Julius Cäsar attestierten sie eine »gute Passform«, bei Nero orteten sie ein »saftiges Paket« und der Schwanz von Harry Houdini muss ihrer Meinung nach garantiert verbogen gewesen sein. Bei der Gelegenheit erfuhr ich auch, dass es einen Genieschwanz gibt. Genies, meinten die drei, haben kurze Dicke, so wie Pablo Picasso oder Sigmund Freud.
Ich fand es extrem beruhigend, ihnen zuzuhören. Wenn sie bei einem Probanden meinten, der habe einen großen Schönen, dann waren es oft nur vierzehn oder fünfzehn Zentimeter und nicht etwa achtzehn oder zwanzig, wie ich es anfangs erwartet hatte. Auf zwanzig schaffte es nur Abraham Lincoln, und auch der war nicht unbedingt zu beneiden. Seiner sei ausgesprochen dünn gewesen, meinten die Frauen.
Als ich etwas mutiger wurde, stellte ich die drei auf die Probe.
»Wie lang ist meiner?«
Ich stand auf, ging auf und ab und zeigte meine Hände.
»Ungefähr elf«, sagte Klara.
»Elf bis zwölf«, sagte Katarina.
»Zwölf«, sagte Penelope.
Penelope war die Höflichste von allen. Als ich sagte, dass mein Buch »Elf Zentimeter« heißen würde, nickte sie allerdings, als hätte sie es ohnedies gewusst.
»Woran erkennt ihr das eigentlich?«, fragte ich.
»An allem«, sagte Penelope.
»Am Gesamteindruck«, sagte Klara.
»Am Wesen eines Mannes«, sagte Katarina.
Mit elf Zentimetern war ich jedenfalls in bester Gesellschaft. Auch Napoleon, Picasso, Hitchcock und Dickens hatten ihr Liebesleben mit dieser Länge bestritten. Selbst Casanova war laut meiner Expertinnenjury nicht über dreizehn Zentimeter hinaus gekommen. Kaiser Franz Josef hatte nur neun Zentimeter und Charlie Chaplin, bekanntlich ein Frauenheld, überhaupt nur sieben. Prädikat: dünn.
Jury-Ergebnis
Albert Einstein
7,0
Charlie Chaplin
7,0
Oliver Hardy
7,0
Stan Laurel
kein Ergebnis
Mao Zedong
8,0
Adolf Hitler
8,5
Joseph Goebbels
8,5
Kaiser Franz Josef
9,0
Wolfgang A.Mozart
9,0
Michael Jackson
10,0
Sigmund Freud
10,0
Walt Disney
10,0
Alfred Hitchcock
11,0
Charles Dickens
11,0
Napoleon Bonaparte
11,0
Pablo Picasso
11,0
Ludwig v.Beethoven
12,0
J.W.von Goethe
12,0
Karl Marx
12,0
Kurt Cobain
12,0
Leonardo da Vinci
12,0
Giacomo Casanova
13,0
Gianni Versace
13,0
Groucho Marx
13,0
James
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