Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
Zeit doch geschafft hatte, eine Art Priesterstellung einzunehmen, überwachte streng die Einhaltung der Rituale. Mergun selbst hingegen war bei derartigen Anlässen nie zugegen, denn Opferungen aller Art waren ihm zuwider.
*
Jahr um Jahr ging ins Land und Mergun entdeckte immer neue Fähigkeiten an sich. So stellte er in einer sternklaren Nacht fest, dass er aus seiner Hand Blitze fahren lassen konnte.
Plötzlich vermochte er es auch, in fremde Dimensionen vorzudringen und Elementargeister unter seinen Willen zu zwingen.
Weitere Jahre gingen dahin und Mergun zeigte sich jetzt nur noch sehr selten in der Öffentlichkeit. Eine tiefe Kluft lag zwischen ihm und den Balaniern: Die Vergänglichkeit. Während seine Anhänger langsam aber sicher älter und älter wurden, alterte der Gott Mergun um keinen Augenblick. In gewisser Weise war er jetzt zeitlos.
Aber des Nachts schlich er sich oft aus seinem Tempel (der ihm häufig eher als Gefängnis denn als Wohnstatt vorkam) und ritt wie ein Schatten durch die Straßen. Nur Finsternis umgab ihn. Irgendwo außerhalb von Balan stieg er dann von seinen Reittier und sah zu den Sternen auf.
Er war allein.
Luun war schon seit vielen Jahren - oder waren es Jahrzehnte -
nicht mehr bei ihm aufgetaucht. Aber jetzt, in einer jener Nächte, kam er.
Mergun sah den Büschen zu, wie sie vom Wind hin und her gebogen wurden, da tauchte plötzlich aus der Dunkelheit die graue Gestalt des Geheimnisvollen auf.
„Was tut Ihr da, Mergun?“, fragte Luun unbekümmert. Es schien für ihn keine Bedeutung zu haben, dass sie sich so lange nicht gesehen hatten, ja, er schien nicht einmal eine Begrüßung für notwendig zu erachten.
„Ich bewundere die Schönheit der Nacht“, war die Antwort des einsamen Gottes.
„Seid Ihr glücklich, Mergun?“
Mergun zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht so recht...“ Dann schüttelte er entschieden den Kopf. „Nein, ich glaube, ich bin nicht besonders glücklich.“
„Aber Ihr habt doch Macht! Was wollt Ihr denn mehr, als Macht?
Ihr habt mehr davon, als die meisten anderen Götter. Ich hoffe, Ihr seid Euch dessen bewusst! Und Ihr seid unsterblich! Die Jahre, die Zeit, sie tun Euch nichts, denn Ihr werdet immer gleich jung erscheinen. Ihr führt ein Dasein, von dem die Sterblichen nur träumen können.“
„Ich habe nie von solch einem Dasein geträumt, Freund Luun. Es wurde mir aufgezwungen.“
„Ihr seid in vieler Hinsicht seltsam.“
„Vielleicht.“
Merguns Stirn zeigte tiefe Falten.
„Ich blicke in Eure Seele, Mergun. Und ich sehe dort Fragen, die Euch quälen.“
„Stimmt, ich habe Fragen.“
„Der Sinn meiner Existenz besteht unter anderem darin, Fragen zu beantworten.“
„Ach, ja?“
„Ja.“
„Dann erklärt mir bitte, woher so plötzlich meine magischen Kräfte kamen? Sie scheinen ganz von selbst zu kommen! Ohne, dass ich je ein Magie-Buch zur Hand genommen hätte!“ Mergun schüttelte den Kopf. „Ich kann es mir nicht erklären.“
„Es wäre nicht gut für Euch, wenn ich diese Frage beantworten würde.“
„Aber warum nicht? Diese Frage quält mich und bohrt in mir.“
„Außerdem - als ich sagte, ich sähe in Eurer Seele Fragen, die Euch quälten, dachte ich nicht an diese. Es gibt noch andere...
„Ich möchte aber eine Antwort auf diese Frage haben! Sie quält mich am meisten!“
„Nun gut. Aber ich habe Euch gewarnt, Mergun! All Eure magischen Fähigkeiten begründen sich auf den Glauben der Sterblichen. Sie dichteten Euch diese Fähigkeiten an und dadurch wurden sie real - denn die Sterblichen glauben an die von ihnen selbst erschaffenen Mysterien, versteht Ihr?“
Mergun schwieg.
Dann erhob er sich und Luun sah den Schrecken im Gesicht seines göttlichen Gegenübers. „Ich wusste, dass Ihr erschrecken würdet, aber Ihr selbst habt es so gewollt!
Mergun nickte.
„Ja, das mag sein. Aber zumindest ist meine Frage jetzt beantwortet, wenn es mir auch schwer fällt, Eure Antwort zu begreifen. Welch ungeahnte Macht die Sterblichen doch über ihre Götter besitzen!“
„Das stimmt, Herr Mergun. Sie haben viel Macht - für meine Begriffe viel zu viel. Aber sie sind sich ihres Einflusses auf die Dinge nicht bewusst. Die Macht, über die sie gebieten, liegt außerhalb ihrer Kontrolle.“
*
Am frühen Morgen kehrte Mergun dann wie immer in seinen Tempel zurück.
Dagis brauchte nicht zu wissen, wo er die Nacht verbrachte.
Wieder gingen Jahre ins Land. Es waren friedliche und glückliche
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