Elfen wie Stahl
müssen noch viel über Subtilität lernen. Der Prinz interessiert sich für kaum etwas, und Konowa hat seine eigenen Sorgen, aber wenn Sie fortfahren, ständig die Missetaten des Imperiums anzuprangern, wird sich, so vermute ich, irgendwann jemand für Sie interessieren, und es wird kein freundliches Interesse sein.«
Visynas Herz hämmerte wie wild, aber sie zwang sich dazu, gelassen zu bleiben. Das Auspeitschen, das sie so bestürzt hatte, erschien ihr jetzt nur noch wie eine Erniedrigung, die von einer korrupten Macht verursacht wurde. »Im Norden breitet sich eine Rebellion aus. Wenn der Stern von Sillra tatsächlich dort ist, dann sollte sich das Imperium Sorgen machen.«
Rallie lachte leise und legte eine Hand auf Visynas Arm. Die Hand war kühl und leicht und verriet nichts von ihren Gefühlen. »Das Imperium macht sich Sorgen, sonst wären die Stählernen Elfen nicht hier! Aber den Stern wiederzubeschaffen ist nur ein kleines Puzzleteil des Gesamtbildes. Die Schattenherrscherin hat sich tief in ihrem Hohen Forst eingegraben, so tief, dass nicht einmal die Elfen der Langen Wacht kontrollieren können, was sie getan hat. Alles kommt zurück, das Gute, das Schlechte und das sehr Schlechte. Mit dem Stern und den Stählernen Elfen kommen auch die Rakkes
und die Faeraugs und wer weiÃ, was noch? Es ist eine sehr gefährliche Zeit, um politische Intrigen zu spinnen.«
Ihre Worte bestätigten zwar Visynas Verdacht, aber sie war trotzdem entsetzt. »Der Stern gehört uns. Mit seiner Hilfe kann mein Volk sich befreien. Diese Chance ist jedes Risiko wert.«
Rallie drehte sich einen Moment weg, als das Stöhnen des Gefangenen zu ihnen drang. Sie schnalzte mit der Zunge und ging weiter, wobei sie eifrig in ihr Buch schrieb.
Visyna versuchte zu lesen, was sie schrieb, aber die Schrift war weder die des Imperiums noch irgendeine andere, die sie kannte.
Rallie antwortete, während sie schrieb. »Der Prinz will ihn für sich selbst haben, und von ihm wird er seinen Weg zu ihr finden.«
Visyna trat eine Schlingpflanze zur Seite und schlug dann entsetzt über ihre Brutalität die Hand vor den Mund. »Also wird er damit zur Kaiserin laufen, damit sie den Stern in die Schatzkammer der gestohlenen Kostbarkeiten legen kann?«
Rallie blieb stehen, schloss mit einem vernehmlichen Klacken das Buch und verstaute es in den Tiefen ihres Umhangs. »Die andere sie, Liebes, die andere sie.« Sie drehte sich um und ging zurück zu dem Regiment. Das Klatschen eines weiteren Peitschenhiebs hallte ihnen entgegen.
Visyna musste sich beeilen, um mit ihr Schritt zu halten. Ihr Gesicht war bereits schweiÃgebadet, und ihr Nacken dampfte förmlich unter ihrem dicken Zopf. Rallie dagegen schien, wie sie gereizt bemerkte, von der Hitze nicht weiter berührt. »Konowa trägt ein Stück ihres Berges mit sich herum. Ich spüre die Anwesenheit der Schattenherrscherin hier, und sie wird ständig stärker. Konowa hätte es niemals akzeptieren sollen. Es ist eine Falle.«
Rallie schob sich den Federkiel hinter das rechte Ohr und breitete die Arme aus, als würde sie sich an eine Versammlung wenden. »Wenn Sie einem alten Weib seine etwas geschwollene Ausdrucksweise verzeihen: Dunkle Wolken sammeln sich, und sie befindet sich im Zentrum des heraufziehenden Sturms.« Sie legte den Kopf auf die Seite, sah Visyna an und senkte ihre Stimme. »Ja, es ist eine Falle. Es verblüfft mich immer wieder, dass Menschen so blind entscheiden. Sie sind eine seltene Ausnahme, Liebes, ein wahres Kind der Erde und der Lebenskraft, die darin ruht, im Gleichklang mit allen lebenden Wesen, und das auf eine Art und Weise, die ihresgleichen sucht. Sie sehen, was so viele nicht sehen wollen, nämlich die Existenz von Gegensätzen, und zwar allüberall: Sonne und Mond, Sommer und Winter, Jäger und Beute. Wenn es Gott gibt, gibt es den Teufel. Gibt es die Sterne, dann auch eine Schattenherrscherin, die versucht, ihr Licht zu löschen.«
Die Peitsche knallte erneut, und Visyna glaubte, den beiÃenden Schmerz selbst zu spüren. »Was können wir dann tun?«, erkundigte sie sich schlieÃlich.
»Einstweilen warten wir ab und tun, was wir können, um diese Jungs vor Schaden zu bewahren. Sie werden schon sehr bald noch für etwas ganz anderes als für den Kampf gegen Faeraugs gebraucht«, antwortete Rallie.
Sie waren jetzt wieder
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