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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Knall unter, mit dem sie die Tür hinter sich zuwarf.
    »Das … hast du verstanden?«, murmelte Pia betroffen.
    »Ich verstehe jedes Wort, das Ihr sagt, Prinzessin Gaylen«, erinnerte Alica spöttisch. Der Blick, mit dem sie Pia dabei maß, war allerdings alles andere. Sie brodelte innerlich vor Wut.
    Ein bisschen konnte Pia ihre Reaktion ja sogar verstehen, fand sie aber zugleich auch hoffnungslos übertrieben. »Alica, bitte«, sagte sie, so ruhig sie konnte. »Meinst du nicht, dass wir im Moment Wichtigeres zu tun haben, als uns über diesen Unsinn zu streiten?«
    »Ganz wie Ihr befehlt, Prinzessin«, erwiderte Alica und machte einen übertriebenen Hofknicks. Ziemlich gekonnt, fand Pia.
    »Das Ganze hier könnte in einer Katastrophe enden«, sagte sie ernst. »Das ist dir doch klar, oder?«
    »Könnte?«, ächzte Alica. Sie machte eine empört wirkende Geste zum Fenster hin. »Also, wenn du das da draußen nicht als Katastrophe bezeichnest, dann müssen wir uns vielleicht erst einmal über die genaue Bedeutung dieses Wortes unterhalten!«
    »Damit hast du vollkommen recht«, sagte Pia.
    »Ach?«
    »Aber es wird nicht besser, wenn wir uns gegenseitig an die Kehle gehen«, fuhr sie fort. »Wir müssen jetzt vor allem einen klaren Kopf bewahren. Du hast diesen Istvan gesehen, und du hast gehört, was er gesagt hat.«
    »Gehört schon, aber nicht verstanden«, entgegnete Alica. »Dafür habe ich umso deutlicher gesehen, wie er dich angestarrt hat.«
    »Was meinst du damit?«
    »Noch nie mit einem Blinden gesprochen?«
    »Wie?«, fragte Pia verwirrt.
    »Der hätte es dir erklären können«, fuhr Alica mit einem bekräftigenden Nicken fort. »Wenn der eine Sinn ausfällt, dann werden die anderen dafür umso schärfer.« Sie machte eine kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger zum Ohr. »Ich bin im Moment vielleicht ein bisschen taub, aber noch lange nicht blind!« Alica machte ein obszönes Geräusch. »Der Kerl hat dich mit Blicken doch regelrecht ausgezogen! Und jetzt erzähl mir bitte nicht, das wäre dir gar nicht aufgefallen!«
    Aber das war es nicht. Istvan hatte sie sonderbar angesehen, das stimmte … doch ganz und gar nicht so, wie Alica anzunehmen schien. Außerdem … Pia sah an sich hinab und schüttelte den Kopf, um ihre eigene Einschätzung noch einmal zu bekräftigen. Sie bot im Moment nun wirklich keinen verführerischen Anblick. Der zerschlissene Umhang, den sie trug, hätte bei ihnen zu Hause allenfalls noch Verwendung als Hundedecke gefunden (für einen Hund, den dessen Besitzer nicht besonders leiden konnte), und darüber hinaus verbarg er ihre Figur nicht nur vollständig, sondern entstellte sie regelrecht. Sie trug noch immer das Kopftuch, das das Schönste an ihr – ihr Haar – versteckte, und obwohl sie nicht in einen Spiegel gesehen hatte, wusste sie einfach, dass ihr Gesicht ebenso müde wie schmutzig aussah. Ihre Finger waren aufgerissen und verschorft, und die dunklen Ränder unter ihren Fingernägeln waren zu einem Gutteil eingetrocknetes Blut, von dem sie selbst nicht genau sagen konnte, von wem es stammte. Die Säume ihrer Jeans, die darunter hervorlugten, waren zerrissen, völlig verdreckt. Vielleicht hatte Istvan vorhin ja gar nicht ihre Stiefel so nachdenklich angestarrt …
    Dann wurde ihr klar, was für einen Unsinn sie dachte, und sie musste selbst darüber lachen.
    »Was ist so komisch?«, wollte Alica wissen.
    »Nichts«, antwortete Pia. Ihr Lächeln erlosch so schnell, wie es gekommen war, und ließ ein Gefühl von Leere zurück, das beinahe körperlich wehtat. »Nichts«, sagte sie noch einmal, streifte den Umhang ab und warf ihn achtlos aufs Bett, während sie wieder an das schmale Fenster trat und hinausblickte.
    Das Bild dort unten hatte sich nicht verändert, allenfalls der Anteil von Weiß darin war größer geworden. Es hatte den ganzen Vormittag über leicht geschneit, und die Straßen waren jetzt von einer dünnen Schicht aus gefrorenem Morast bedeckt, die das lautlose weiße Rieseln vom Himmel schneller erneuerte, als die wenigen Passanten, die es im Moment dort unten gab, sie zertreten konnten. Pias Blicke tasteten beinahe ohne ihr Zutun kurz und prüfend jede einzelne Gestalt ab, aber sie erblickte nichts Verdächtiges.
    In Wahrheit sah sie weder die bizarr geformten, schmalen Häuser noch die kleinwüchsigen Gestalten, die sich zwischen ihnen bewegten. Viel … unheimlicher war das, was sie spürte.
    Es war genau wie beim ersten Mal, als sie an diesem Fenster

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