Elfenblut
Gestalt ab, die unter der Tür erschienen war und Alica und sie anstarrte. Irgendwie spürte Pia, dass sie schon eine geraume Weile dort stand; eine Vorstellung, die ihr umso unangenehmer war, als sich Alica in diesem Moment unruhig im Schlaf bewegte und schon wieder nach ihr griff. Das Erste, worum sie Brack gleich morgen früh bitten würde, war ein Zimmer mit zwei separaten Betten.
Oder besser gleich ein eigenes Zimmer.
»Erhabene?«, fragte eine schüchterne Stimme. Der Schatten unter der Tür bewegte sich unbehaglich. Pia blinzelte, stemmte sich umständlich auf die Ellbogen hoch und kramte in ihrem Gedächtnis. Erhabene? Das letzte Mal, dass jemand sie so genannt hatte, war genau … nirgendwann gewesen. Erhabene?
»Was?«, nuschelte sie noch ein bisschen schlaftrunken.
Der Schatten unter der Tür bewegte sich erneut und noch unbehaglicher; aber sie konnte seinen Blick spüren.
»Ich … also … Bitte verzeiht die Störung, Erhabene, aber Brack hat mich geschickt, um Euch zu holen.«
Erhabene? Euch? , wiederholte Pia träge in Gedanken. Anscheinend war sie immer noch nicht ganz wach und träumte sich diesen ganzen Humbug nur zusammen. Erst dann erkannte sie die Gestalt unter der Tür, nicht weil sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hätten, sondern weil sie so klein und schmalschultrig wie ein Kind war, und die Auswahl der Leute hier, die Alica und sie kannten, nicht besonders groß. »Lasar?«
Der Küchenjunge nickte hektisch und kam einen einzelnen Schritt näher, blieb dann aber erschrocken wieder stehen, als wäre ihm plötzlich klar geworden, was für einen ungeheuerlichen Frevel zu begehen er im Begriff war. Pia stemmte sich weiter hoch, schwang die Beine vom Bett und war plötzlich froh, nicht nur komplett angezogen, sondern auch mit den Stiefeln an den Füßen eingeschlafen zu sein. Selbst durch die dicken Sohlen hindurch konnte sie spüren, wie kalt der Boden war.
»Brack?«, wiederholte sie. Wer zum Teufel war noch einmal Brack? Dann klärten sich ihre Gedanken endgültig, und Pia verabschiedete sich mit einem lautlosen Seufzen von der Hoffnung, nur einen schlechten Traum gehabt zu haben.
»Er hat nach Euch geschickt«, bestätigte Lasar. »Ich wollte Euch nicht stören. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass Ihr vielleicht schlaft, aber er …«
Pia machte eine wegwerfende Geste. »Geschenkt.«
Der Junge sah sie nur verständnislos an. »Ich meine damit, es macht nichts«, fügte Pia erklärend hinzu und hatte zugleich alle Mühe, ein herzhaftes Gähnen zu unterdrücken. »Hat er gesagt, was er von mir will?«
»Nein«, versicherte Lasar hastig. »Nur, dass ich Euch und Eure Sklavin holen soll.«
Pia warf einen raschen Blick auf das Bett und die Sklavin, die darauf lag und ungerührt weiterschnarchte, und war wieder einmal froh, dass Alica nicht jedes Wort verstand, das hier gesprochen wurde. »Ich fürchte, sie ist im Moment ziemlich erschöpft. Wir sollten sie noch eine Weile schlafen lassen.«
»Aber Brack …«, begann Lasar.
»… wird wohl auch mit mir vorliebnehmen«, unterbrach ihn Pia. Sie reckte sich ausgiebig, trat ans Fenster und warf einen mäßig interessierten Blick hinaus. Sie hatte nicht erwartet, irgendetwas Außergewöhnliches zu sehen, und wurde auch nicht enttäuscht. Die Stadt lag ebenso dunkel und still da wie vergangene Nacht, als Alica und sie aus dem Haus getreten waren. Nur hinter sehr wenigen Fenstern brannten noch vereinzelte Lichter, und selbst hier drinnen meinte man die Stille spüren zu können, die über den Straßen lag. Aber vielleicht war das ja schon außergewöhnlich, dachte sie. Trotz allem spürte sie, dass sie nicht allzu lange geschlafen hatte; die Sonne war wohl erst vor kurzer Zeit untergegangen. Dort draußen war es jedoch so dunkel und still, als wäre Mitternacht schon längst vorbei. Die Leute in WeißWald schienen tatsächlich mit den Hühnern ins Bett zu gehen.
Falls es hier so etwas wie Hühner gab.
Sie wandte sich vom Fenster ab, reckte sich noch einmal ungeniert und ausgiebig und wurde sich erneut der Tatsache bewusst, angestarrt zu werden. Fast erschrocken ließ sie die Arme sinken und drehte sich halb herum. Lasar war einen weiteren Schritt ins Zimmer hereingekommen und wieder stehen geblieben. Sein Gesicht war in dem schwachen Licht kaum zu erkennen. Trotzdem spürte sie, wie er sie anstarrte, und irgendetwas sagte ihr, dass das nicht nur daran lag, dass sie sich gekonnt vor der einzigen Lichtquelle im Raum geräkelt und ihm
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