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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gestanden und hinausgeblickt hatte, nur war das Gefühl jetzt ungleich intensiver, und sie war sich seines sehr viel bewusster. Sie war noch nie hier gewesen. Noch vor einem Tag hätte sie nicht einmal von einem solchen Ort geträumt. Und doch war ihr alles hier vertraut; nicht in der Art eines Ortes, den sie kannte, aber eines Ortes, an den sie gehörte . So absurd es ihr selbst vorkam: Sie fühlte sich hier zu Hause .
    Und wenn alles wahr ist?, dachte sie. Wenn Prinzessin Gaylen und ich …
    Zornig auf sich selbst drehte sie sich mit einem Ruck vom Fenster weg und brach den Gedanken ab, der erstens vollkommen unsinnig war und den sie zweitens auch gar nicht denken wollte .
    Alica deutete ihre Reaktion falsch: »Sag nicht, da ist schon wieder einer von den Kerlen.«
    Pia verstand auf Anhieb nicht einmal, wovon sie sprach. Dann schüttelte sie umso heftiger den Kopf. »Nein. Keine Angst. Sie sind nicht hier.«
    »Und woher willst du das wissen?«, fragte Alica.
    Weil ich es spüren würde. Was voll und ganz der Wahrheit entsprach … aber Alica diese Antwort zu geben, hätte die fruchtlose Diskussion von heute Morgen nur wieder neu entfacht. Sie hob die Schultern. »Warum hätte der Kerl uns allein verfolgen sollen, wenn seine Kumpels hier wären?«
    »Vielleicht hat er uns ja einfach unterschätzt. Zwei hilflose junge Frauen, die es ganz bestimmt nicht mit einem gestandenen Mann aufnehmen können?« Alica lachte, leise und ohne echten Humor. »Und jetzt ist er tot. Dumm gelaufen.«
    Dieses Mal stimmte Pia nicht in ihr Lächeln ein. Doch sie konnte Alica verstehen. Der Fremde hätte sie umgebracht, ohne mit der Wimper zu zucken – oder ihnen Schlimmeres angetan –, und sie hatte ihn ja nicht einmal selbst getötet. Warum fühlte sie sich dann so, als hätte sie es getan?
    »Vielleicht sollten wir zuerst einmal herausfinden, wer die Kerle überhaupt sind und was sie von dir wollen.« Alica gähnte ungeniert, ließ den Umhang mit einer achtlosen Bewegung von den Schultern zu Boden gleiten und setzte sich auf das vom Morgen noch ungemachte Bett. Als Pia sich wieder zum Fenster drehte, konnte sie hören, wie sie sich nach hinten sinken ließ und noch einmal und noch ausgiebiger gähnte.
    »Woher willst du eigentlich so genau wissen, dass sie hinter mir her sind, und nicht hinter dir?«
    »Weil ich niemandem zwei Millionen geklaut habe«, antwortete Alica. »Außerdem: Wer ist denn hier die verschollene Elfenprinzessin? Du oder ich?«
    »Ich«, antwortete Pia. »Aber nur, wenn du dann auch wirklich meine Sklavin bist.«
    Sie bekam keine Antwort, und als sie sich nach einigen Sekunden wieder vom Fenster abwandte, sah sie, dass Alica eingeschlafen war, in derselben unbequemen Haltung, in der sie sich gerade zurückgelehnt hatte: beide Füße noch auf dem Boden und mit überdehntem Nacken. Wenn sie in dieser Haltung länger als ein paar Minuten schlief, dann würde sie mit grässlichen Rücken- und Nackenschmerzen aufwachen und vermutlich noch schlechter gelaunt sein. Kopfschüttelnd und mit einem leisen Lächeln auf den Lippen, dessen sie sich nicht einmal bewusst war, bugsierte Pia sie in eine Position, aus der sie wenigstens nicht mit dem Gefühl aufwachen würde, eine Woche auf einer mittelalterlichen Streckbank verbracht zu haben; und das so behutsam, dass Alica dabei nicht wach wurde. Sie bewunderte Alica beinahe dafür, sich in einem Moment wie diesem einfach hinlegen und schlafen zu können, als wäre gar nichts geschehen, empfand zugleich aber auch einen dünnen Stich von Neid. Sie selbst würde wahrscheinlich für die nächsten drei Monate kein Auge mehr zutun können …

XIII
    O der vielleicht doch, denn das Nächste, was sie empfand, war ein leises Erstaunen darüber, wo das Licht geblieben war. Es war dunkel im Zimmer. Die Sonne musste untergegangen sein. Alica schnarchte leise neben ihr, und sie hatte sich nicht nur im Schlaf umgedreht, sondern auch den Arm über ihre Brust gelegt; ihre Finger befanden sich an einer Stelle, an der sie absolut nichts zu suchen hatten. Ihr erster Impuls war, sie wegzuschubsen, aber dann griff sie ganz im Gegenteil sehr behutsam nach ihrem Handgelenk und hob ihren Arm vorsichtig von sich herunter. Erst in diesem Moment wurde Pia klar, dass sie nicht allein waren.
    Die Tür war aufgegangen. Stimmengewirr, Gelächter und die typischen Geräusche einer Kneipe drangen aus dem Erdgeschoss herauf, und in dem flackernden Licht zeichnete sich eine schmale, nicht besonders große

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