Elfenblut
erschien, wenn sie sprach. Die Kleider, die Aressa für Alica und sie geschneidert hatte, mochten für hiesige Verhältnisse ja verführerisch aussehen (auch wenn sich in Rio de Janeiro vermutlich eine militante Nonne geweigert hätte, so etwas zu tragen), gleichzeitig bezahlte sie für diese modische Entgleisung damit, noch mehr zu frieren. Und dass sie seit einer Woche in diesem Fetzen schlief, hatte ihn nicht unbedingt besser gemacht. Allerdings glaubte sie gar nicht, dass Malu das gemeint hatte. Sie hob wieder den Kopf und sah die Zwergin fragend und mit dem eisigsten Lächeln an, das sie zustande brachte. Malu ihrerseits starrte zurück, und es vergingen noch einmal Sekunden, bis Pia begriff, was genau sie so erzürnte.
Was sie allerdings nur noch zorniger machte.
Sie erinnerte sich schwach, gestern Abend sogar mit Kopftuch schlafen gegangen zu sein, aber irgendwann im Laufe der Nacht musste es ihr wohl hinuntergerutscht sein, und sie hatte es bisher nicht einmal bemerkt. Malu starrte aber eindeutig ihr Haar an. Trotzig ließ Pia eine dünne weißblonde Strähne durch die Finger gleiten. In Malus Augen blitzte es erneut und jetzt schon beinahe hasserfüllt auf, während sich auf Istvans Gesicht ein vollkommen anderer Ausdruck abzeichnete; allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er von einem heftigen Schuldbewusstsein und daraus resultierendem Zorn abgelöst wurde.
»Ich bitte Euch, Istvan«, sagte Brack. Er begann immer heftiger mit den Händen zu ringen, und sein Blick irrte unstet zwischen Istvans und Pias Gesicht hin und her, wobei er sorgsam darauf achtete, Malu gar nicht anzusehen. »Wir sind doch alle vernünftige Menschen. Es wird uns sicher möglich sein, eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind.« Er fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich gebe zu, es ist meine Schuld. Ich hätte besser darauf achtgeben sollen. Ihr und ihrer Freundin sind unsere Gebräuche nicht bekannt. Was uns anzüglich oder unsittlich erscheinen mag, das ist dort, wo sie herkommen, vielleicht ganz normal, und umgekehrt.«
»Das mag sein«, sagte Malu schneidend. »Nur dass wir hier nicht da sind, wo sie und ihre Freundin herkommen.«
Istvan brachte sie mit einer unwilligen Geste zum Schweigen, die er gleichzeitig benutzte, um ihre Hand wie zufällig von seiner Schulter zu schütteln. Malu dankte es ihm mit einem zornigen Blick, der noch um einiges wütender wurde, als sie dem schadenfrohen Funkeln in Pias Augen begegnete.
»Worauf willst du hinaus?«, wandte er sich an Brack.
»Ich verbürge mich dafür, dass so etwas nicht wieder vorkommt«, sagte Brack. Er versuchte ruhig zu klingen, erreichte damit aber eher das genaue Gegenteil. »Ich werde den Weißen Eber um Mitternacht schließen, und ich werde ein paar Leute einstellen, die darauf achten, dass hier niemand mehr Schwierigkeiten macht.«
»Das können meine Männer übernehmen«, sagte Istvan; vielleicht eine Spur zu schnell, um in Pia nicht den bösen Verdacht aufkommen zu lassen, dass er nur auf dieses Stichwort gewartet hatte. Seine Männer würden diesen Job gerne übernehmen, vermutete sie. Gegen angemessene Bezahlung.
»Das … wäre sehr freundlich von Euch«, antwortete Brack nervös.
»Und ich werde zwei weitere Männer abstellen, die euch auf Schritt und Tritt bewachen«, fuhr Istvan fort, direkt an Pia gewandt. »Jedenfalls, solange sich Graukeil und die anderen noch in der Stadt befinden.« Er deutete auf Brack, ohne dass sein Blick Pias Gesicht dabei losließ. »Brack wird auch die Kosten dafür übernehmen müssen, die nicht unbeträchtlich sind. Also solltest du dich ein wenig dankbar ihm gegenüber erweisen.«
Ihm oder dir?, dachte Pia. Die Frage, wie genau er sich diese Dankbarkeit vorstellte, konnte sie sich gerade noch verkneifen, aber Istvan musste sie wohl irgendwie auf ihrem Gesicht gelesen haben, denn sein Blick kühlte um mehrere Grade ab.
»Und nur, damit dir der Ernst der Situation bewusst wird: Was immer auch geschieht, solange ihr weiter unter Bracks Obhut steht, ich werde ihn dafür verantwortlich machen und keine Ausreden gelten lassen.«
»Ich verstehe Euren plötzlichen Sinneswandel nicht ganz«, sagte Pia. »Wir haben nur getan, was Ihr selbst von uns verlangt habt. Wir wollten niemandem Ärger bereiten. Brack nicht, und Euch schon gar nicht.«
»Niemand macht euch einen Vorwurf«, antwortete Istvan. »Im Gegenteil. WeißWald ist stolz auf seine Gastfreundschaft und darauf, dass
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