Elfenblut
hysterischer. Sie versuchte ihr klarzumachen, dass sie dabei war, sich um Kopf und Kragen zu reden, und Pia fiel beim besten Willen kein Argument ein, das dagegensprach.
»Ihr seid fremd hier und kennt weder unser Leben noch unsere Sitten und Gebräuche«, fuhr Istvan fort. »Aus diesem Grund könnt ihr auch nicht verstehen, was der gestrige Zwischenfall unter Umständen bedeuten könnte.«
»Nein, das verstehe ich in der Tat nicht«, antwortete Pia, noch immer lächelnd, dennoch aber zugleich hörbar ernster. »Ich will ehrlich zu Euch sein, Istvan: Ich habe Euch nie für einen Mann gehalten, den ich zum Freund haben möchte. Aber ich habe Euch immer für einen Mann gehalten, der seine Aufgabe ernst nimmt und zu seinem Wort steht.«
Sie sah nicht hin, doch sie konnte spüren, wie sich Malu hinter ihr versteifte, und Bracks erschrockenes Stirnrunzeln entging ihr ebenso wenig. Istvans Blick wurde noch ein bisschen lauernder.
»Wenn ich mich richtig erinnere«, fuhr sie fort, »dann haben Alica und ich Euch eine nicht ganz so kleine Summe bezahlt, damit Ihr und Eure Männer für unsere Sicherheit sorgt.« Istvan wollte auffahren, doch Pia hob rasch die Hand und sprach mit einem angedeuteten Kopfschütteln und einem bewusst kühlen Lächeln weiter: »In unserer Heimat ist so etwas nicht üblich. Dort, wo wir herkommen, sorgt die Obrigkeit für Ordnung und Ruhe, ohne dass die Menschen extra dafür bezahlen müssen. Wenn es bei euch anders ist, so müssen wir das akzeptieren. Aber wir haben bezahlt, und dennoch war gestern Abend niemand zur Stelle, als ich Hilfe nötig gehabt hätte.«
Aus dem unbehaglichen Ausdruck auf Bracks Gesicht wurde pures Entsetzen, und sie konnte hören, wie Malu hinter ihr scharf die Luft durch die Nase einzog. Selbst Alica riss die Augen auf und starrte sie ungläubig an. Nur Istvan reagierte ganz anders, als sie befürchtet hatte: Sein Blick wurde für einen kurzen Moment nahezu durchbohrend, und seine Hände, die bisher flach nebeneinander auf der Tischplatte gelegen hatten, umklammerten für die Dauer eines halben Herzschlages die Tischkante so fest, als wollte er das Möbelstück einfach zerbrechen. Dann aber lächelte er verzeihend und schüttelte fast sanft den Kopf.
»Ich hatte nicht den Eindruck, als wäret ihr unbedingt auf Hilfe angewiesen«, erwiderte er. »Um ganz ehrlich zu sein: Ich bin bis jetzt nicht ganz sicher, wem meine Männer und ich wirklich zu Hilfe gekommen sind.«
Das hätte eigentlich nicht funktionieren sollen. Den Trick, Kritik durch eine plumpe Schmeichelei zu entkräften, hatte Pia schon gelernt, bevor sie überhaupt richtig sprechen konnte, und es in einer Situation wie dieser zu versuchen, grenzte beinahe an eine Beleidigung. Aber es funktionierte dennoch; Pia ertappte sich bei einem knappen, geschmeichelten Lächeln – und das Wissen, wie unsinnig diese Behauptung in Wahrheit war, änderte rein gar nichts daran. Sie hatte die Zwerge überrumpelt, denn diese hatten mit allem gerechnet, nur nicht mit einer so heftigen Gegenwehr oder gar damit, dass sie ihrerseits zum Angriff übergehen könnte. Hätte der ungleiche Kampf auch nur wenige Augenblicke länger gedauert, dann säße sie jetzt vermutlich nicht hier.
»Aber darum geht es nicht?«, vermutete sie.
»Wie gesagt: Ich konnte Gamma Graukeil und seine Begleiter beruhigen«, fuhr Istvan fort. »Aber darum geht es wirklich nicht. Es geht um dich. Um dich und deine Sklavin.«
»Das habe ich verstanden«, sagte Alica.
Pia sah sie überrascht an.
»Das letzte Wort hieß Sklavin , habe ich recht?«, vergewisserte sich Alica. Sie machte ein grimmiges Gesicht. »Manche Worte merke ich mir.«
»Und was haben wir so Schreckliches getan?«, wandte sich Pia mühsam beherrscht wieder an Istvan. »Außer dass ich mich gewehrt habe, meine ich. Wenn ich damit gegen irgendein Gesetz verstoßen haben sollte, dann bedauere ich es. Ich wusste nicht, dass es in dieser Stadt einer Frau nicht gestattet ist, ihre Ehre zu verteidigen.«
Istvans Blick wurde noch ein bisschen bohrender, und Pia begann sich nun allmählich wirkliche Sorgen um Bracks Tischkante zu machen, doch seine Stimme blieb ruhig. »Ihr stört die Ordnung hier in der Stadt, Gaylen.« Er hob rasch die Hand, als sie widersprechen wollte. »Wenn das, was du über eure Heimat erzählst, die Wahrheit ist, dann müssen die Menschen dort sehr glücklich und sehr zufrieden sein. Hier ist es so, dass die Menschen für ihre Sicherheit bezahlen. Sie bezahlen mich,
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