Elfenblut
tatsächlich dabei zusehen konnte. In seinen Augen schimmerten Tränen, aber da war auch ein Zorn, den er kaum noch beherrschen konnte.
»Was fällt dir ein, du verdammtes Miststück!«, heulte er. »Du hast mir die Zähne eingetreten! Dafür bezahlst du, und es ist mir auch vollkommen egal, wer du bist oder zu sein behauptest!«
Er spuckte einen Klumpen blutigen Schleim und weitere Zahnsplitter aus, wischte sich mit dem Handrücken das Blut von den Lippen und torkelte weiter auf sie zu, und das nächste, woran Pia sich erinnerte, war, dass sie auf ihm saß, seine Arme mit den Knien gegen den Boden presste und ihm abwechselnd die rechte und die linke Faust ins Gesicht schlug, zweimal, dreimal, viermal, immer und immer wieder, obwohl er schon nach dem zweiten oder dritten Hieb aufhörte sich zu wehren, und nach dem fünften oder sechsten auch, sich zu bewegen.
Eine schmale Hand schloss sich um ihr Handgelenk und versuchte sie festzuhalten, aber sie war nicht stark genug. Pia riss sich los, schlug noch einmal und mit noch größerer Wucht zu und spürte die Nase des Mannes brechen; nicht zum ersten Mal.
»Pia, verdammt noch mal, hör auf!« Alica versetzte ihr eine schallende Ohrfeige, die grellen Schmerz vor Pias Augen explodieren ließ und ihren Mund mit dem Geschmack ihres eigenen Blutes füllte. Aber sie riss sie auch in die Wirklichkeit zurück. Die lodernde Wut war noch immer in ihr, doch es gelang ihr nun, sie zu beherrschen und sogar ein wenig zurückzudrängen. Nicht annähernd weit genug, damit sie ihre Gedanken nicht weiter mit purer Mordlust überschwemmte – aber Pia hörte wenigstens auf, weiter wie von Sinnen auf den Soldaten einzuprügeln.
»Verdammt noch mal, was ist denn in dich gefahren?«, fauchte Alica. »Wolltest du den Kerl umbringen?«
Pia blickte auf die reglose Gestalt und fragte sich, ob sie das nicht bereits getan hatte. Der Mann rührte sich nicht und gab auch nicht mehr den geringsten Laut von sich. Sie konnte nicht einmal mehr erkennen, ob er noch atmete. Es war ihr auch vollkommen egal. »Hast du gesehen, was der Kerl gemacht hat?«, fragte sie tonlos.
»Ja«, antwortete Alica. »Und wenn du ihn nicht niedergeschlagen hättest, dann hätte ich es getan. Aber ihn umzubringen wäre nicht besonders klug. Ich glaube nicht, dass Istvan besonders viel Verständnis dafür hätte.« Sie streckte die Hand aus, und Pia ließ sich von ihr aufhelfen und registrierte erst jetzt, dass der zweite Soldat auch nicht mehr auf den Beinen stand, sondern zwei Schritte entfernt auf den Knien hockte und sich die blutende Nase hielt.
»Schätze, er wollte seinem Kumpel zu Hilfe eilen«, sagte Alica achselzuckend. »Aber das konnte ich leider nicht zulassen.«
Pia lächelte knapp, und hinter ihr sagte eine ihr nur zu vertraute Stimme: »Ich sehe, du hast nichts verlernt, trotz all der Zeit.«
Pia fuhr erschrocken herum und klammerte sich für den kurzen Moment, den sie für die Bewegung brauchte, noch an die verzweifelte Hoffnung, sich zu täuschen, obwohl sie die Stimme zweifelsfrei erkannt hatte.
Sie hatte sich nicht getäuscht.
»Aber eigentlich hättest du dem armen Kerl da zu Hilfe kommen müssen«, fuhr Hernandez mit einem dünnen Lächeln und an Alica gewandt fort. »Was allerdings auch keinen Unterschied gemacht hätte, fürchte ich.«
Damit trat er an Alica vorbei, grub die Hand in das Haar des knienden Soldaten und tat dasselbe, was dessen Kamerad gerade mit dem wehrlosen Jungen gemacht hatte: Er zog einen Dolch aus dem Gürtel und schnitt ihm die Kehle durch. Noch während der Mann zur Seite fiel und röchelnd an seinem eigenen Blut erstickte, beugte sich Hernandez zu dem zweiten Soldaten hinab und verfuhr mit ihm genauso.
Pia sah ihm zu, erfüllt von lähmendem Entsetzen. Sie hätte erwartet, dass es ihr nichts ausmachte nach dem, was der Gardist gerade mit dem wehrlosen Jungen getan hatte, aber der Tod der beiden Männer entsetzte sie ebenso sehr wie der des Kindes. Auf eine gewisse Art vielleicht sogar noch mehr, denn der Soldat hatte zumindest einen Grund für das gehabt, was er getan hatte, während Hernandez beinahe gelangweilt wirkte.
Sorgsam wischte er die blutige Klinge am Mantel des Toten ab und schob sie unter seinen Gürtel zurück, bevor er sich wieder zu Alica und ihr herumdrehte.
»Du hast recht«, sagte Alica mit belegter Stimme. »Es ist tatsächlich Hernandez.« Sie maß den hochgewachsenen Mann mit einem kalten Blick. »Wollen Sie die Toten nicht ein wenig fleddern,
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