Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Alica mit einer Geste (die diese ignorieren würde), zurückzubleiben, schlüpfte auf den Flur hinaus und blieb nach zwei Schritten stehen, um erneut zu lauschen. Sie hörte immer noch nichts, aber alle ihre Sinne schrien: Gefahr! Sie lauschte. Im ersten Moment war da rein gar nichts außer dem immer schneller werdenden Hämmern ihres eigenen Pulsschlags und des Heidenspektakels, den Alica bei ihrem Versuch veranstaltete, möglichst leise zu sein, aber dann …
    … geschah etwas mit ihren Sinnen.
    Es war, als wäre tief in ihr ein unsichtbarer Schalter umgelegt worden, von dessen Existenz sie bisher noch nicht einmal etwas geahnt hatte. Plötzlich waren die Schatten dunkler, war das Licht heller, waren die Gerüche deutlicher und die Geräusche lauter. Ihre Sinne schienen regelrecht Amok zu laufen. Sie glaubte sogar, Alicas Herzschläge hinter sich zu hören und ihren nach Zigarettenrauch und Pfefferminz riechenden Atem zu spüren. Fast erschrocken drehte sie sich um, sah zu ihr zurück und stellte fest, dass sie noch mindestens drei Meter hinter ihr stand. Aber verdammt, sie konnte ihren Atem riechen! Was geschah hier?
    Was?, formulierten Alicas Mund und ihr fragender Blick, ohne dass auch nur der mindeste Laut über ihre Lippen kam.
    Nichts , antwortete Pia auf dieselbe lautlose Art. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Alica die wortlose Kommunikation auch verstanden hatte, ging zur Treppe und blieb noch einmal kurz stehen, bevor sie den Fuß auf die erste Stufe setzte. Es kam ihr selbst fast unglaublich vor, aber sie konnte Atemzüge dort unten hören, Atemzüge von mindestens zwei, wenn nicht mehr Männern … und einen sonderbaren Geruch vernehmen, fremdartig und zugleich auf eine sonderbare, erschreckende Art vertraut.
    Sie machte einen einzelnen Schritt, zog den Fuß dann wieder zurück und streifte aus einem plötzlichen Impuls heraus die Schuhe ab, bevor sie ihren Weg fortsetzte. Die Atemzüge wurden deutlicher, und sie hörte ein gedämpftes Schleifen und Poltern. Ein Klirren. Metall?
    Noch vorsichtiger bewegte sie sich weiter, hielt auf dem letzten Absatz an und versuchte, das nebelige Dunkel unter sich mit Blicken zu durchdringen. Geizig, wie Esteban war, brannte im Hausflur nur eine trübe Zehn-Watt-Birne, und das funzelige Licht reichte nicht einmal ihrem plötzlich auf so erstaunliche Weise gesteigerten Sehvermögen, mehr als vage Schatten und Umrisse zu erkennen. Immerhin sah sie, dass der verwinkelte Hausflur leer war. Eigentlich spürte sie es.
    Die Tür zu Estebans Büro stand offen, und das Licht dahinter war heller. Pia lauschte einen Moment auf die diversen Geräusche, die an ihr Ohr drangen, und versuchte, die unterschiedlichen Richtungen zu bestimmen, aus denen sie kamen, aber so magisch scharf waren ihre Sinne denn doch noch nicht geworden. Immerhin war sie jetzt sicher, dass mindestens zwei Leute hier waren, die hier nichts zu suchen hatten.
    Hinter ihr polterte Alica die Treppe herunter (Pia nahm an, dass sie sich alle Mühe gab, leise zu sein, aber leise bedeutete für sie plötzlich etwas vollkommen anderes als noch vor wenigen Augenblicken), und Pia gestikulierte heftig mit beiden Händen, leiser zu sein, und legte dann das letzte halbe Dutzend Stufen auf nackten Füßen und vollkommen lautlos zurück. Irgendetwas polterte, aber das Geräusch kam aus einem der anderen Räume hier unten. Pia glitt auf Zehenspitzen durch den Flur und roch das Blut, noch bevor sie die Tür ganz aufgeschoben hatte und hindurchgehuscht war. Trotzdem konnte sie nur mit Mühe einen erschrockenen Schrei unterdrücken.
    Esteban lag mit eingeschlagenem Schädel hinter seinem Schreibtisch, mit dem Gesicht nach unten in einer Lache seines eigenen Blutes. Er lebte noch – sie konnte seine Atemzüge hören –, war aber schwer verletzt. Sein Schreibtisch stand nicht mehr so, wie Pia es in Erinnerung hatte, und der fünfzig Jahre alte Bürostuhl würde seinen einundfünfzigsten Geburtstag nicht mehr erleben, denn er war in Stücke gebrochen.
    Hinter ihr wurden klappernde Schritte laut, und dann kam Alica herein und hatte sich nicht ganz so gut in der Gewalt wie sie, denn sie erstarrte zwar für eine geschlagene Sekunde mitten in der Bewegung, schlug aber dann die Hand vor den Mund, um einen kleinen, halblauten Schrei auszustoßen. Pias Versuch, es irgendwie zu verhindern, kam zu spät.
    Die Reaktion erfolgte unmittelbar.
    Hinter ihnen erscholl ein sonderbar rauer, gutturaler Schrei, dann näherten sich

Weitere Kostenlose Bücher