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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen Drogenkurier auszunehmen?«
    »Kennst du jemanden, der es mehr verdient hätte?«
    »Auf jeden Fall eine ganze Menge Jemands, mit denen ich mich eher anlegen würde als ausgerechnet mit der Peralta-Familie«, antwortete Alica.
    Diesmal brauchte Pia noch länger, bis sie in der Lage war, einigermaßen ruhig zu antworten. Von den wenigen Pluspunkten, die Alica in den vergangenen Minuten gesammelt hatte, hatte sie die allermeisten schon wieder aufgebraucht. »Gibt es irgendetwas, was du nicht weißt?«
    »Nicht viel«, antwortete Alica ungerührt. »Die Wände hier sind dünn. Und Esteban hat keine Geheimnisse vor mir. He – ich stehe auf deiner Seite, Süße! Mir ist es völlig egal, was du dir alles einfallen lässt, um Esteban zu beeindrucken. Solange du Esteban damit nicht in Gefahr bringst, kannst du meinetwegen den Papst verführen.«
    »Und genau das habe ich deiner Meinung nach getan«, vermutete Pia.
    Alica sah sie an, als überlege sie, ob sie das Gespräch überhaupt noch fortsetzen sollte. Pia an ihrer Stelle hätte es nicht getan. Sie spürte selbst, wie aggressiv und unfair sie im Moment war, und ermahnte sich in Gedanken zur Mäßigung.
    »Nein«, antwortete Alica schließlich. »Wahrscheinlich nicht. Ich habe mit Esteban gesprochen, und er meint, er kriegt die Sache schon wieder hin. Du kennst ihn doch. Es gibt nicht viel, was er nicht irgendwie wieder hinkriegt. Aber er macht sich Sorgen um dich, wenn du es genau wissen willst.«
    Um sie? Und warum lag Jesus dann im Krankenhaus und rang mit dem Tod? »Ich kann schon auf mich selbst aufpassen«, sagte sie ruppig.
    »Der Meinung schien Esteban nicht zu sein«, antwortete Alica gelassen. Sie schnippte ihre Zigarettenasche aus dem offenen Fenster, als gäbe es den Aschenbecher neben ihr gar nicht, warf einen Blick über die Schulter nach draußen und fuhr erst dann fort: »Jedenfalls hat er ein paar Männer kommen lassen, um auf dich aufzupassen.«
    Pia machte ein fragendes Gesicht, wartete zwei oder drei Sekunden lang vergebens auf eine Antwort und trat dann neben sie ans Fenster. Im allerersten Moment fiel es ihr schwer, dort draußen überhaupt etwas zu erkennen. Mitternacht musste schon lange vorüber sein, und die Nacht war außergewöhnlich dunkel. Unter ihnen erstreckte sich ein deplatzierter Sternenhimmel aus unzähligen weißen und gelben und roten Funken, zwischen denen sich Schatten bewegten. Zwei davon bewegten sich nicht, und Pia nahm ihre Anwesenheit überhaupt erst zur Kenntnis, als die rote Glut einer Zigarette unter ihr aufglomm. Erst danach registrierte sie die gedämpften Stimmen, die unter ihnen flüsterten.
    »Keine Angst.« Alica versuchte aufmunternd zu klingen und erreichte damit eher das genaue Gegenteil. »Die sind nur für alle Fälle da … sagt Esteban.«
    »Und welche Fälle wären das?«, wollte Pia wissen.
    Darauf antwortete Alica nicht mehr, sondern hob nur die Schultern und sah sie mit leicht schräg gehaltenem Kopf an.
    Pia schluckte die wütenden Worte hinunter, die ihr plötzlich auf der Zunge lagen, setzte sich auf Alicas mit rosa Plüsch bezogenes Bett und zog die Knie an den Körper, um sie mit den Armen zu umschlingen und das Kinn darauf zu stützen; eine Haltung, die sie schon als kleines Kind angenommen hatte, wenn sie über irgendetwas nachdenken wollte. Esteban hatte sich immer gutmütig darüber lustig gemacht und sie ihre Denkerhaltung genannt, und Pia hatte ihm niemals widersprochen; auch wenn das nur die halbe Wahrheit war. Sie fühlte sich in dieser Haltung geborgen, sicher vor einer Welt, die mehr Gefahren für sie bereithielt, als sie auch nur ahnte.
    »Du machst dir Sorgen um Jesus, habe ich recht?«, fragte Alica nach einer Weile. Pia registrierte beiläufig, dass sie ihre Zigarette in den Aschenbecher drückte und sich fast sofort eine weitere anzündete. Irgendwie mussten ihr schon wieder ein paar Minuten abhandengekommen sein, in denen sie einfach dagesessen und ins Leere gestarrt hatte. Wahrscheinlich war das auch der Grund, aus dem Alica sie nach Jesus fragte. Pia nahm an, dass Esteban sie beauftragt hatte, sie ein wenig im Auge zu behalten. Sie wünschte, Alica würde sie einfach in Ruhe lassen.
    »Sollte ich das nicht?«, fragte sie spröde.
    »Doch«, antwortete Alica. »Aber du solltest dir keine Vorwürfe machen, Süße. Was passiert ist, ist nun mal passiert. Es ändert nichts, wenn du dich selbst fertigmachst, weißt du? Jesus wird es schon schaffen. Er ist stark.«
    Das hatte auch

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