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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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einem Kopfschütteln.

    »Luis weiß alles über Mythologie.« Lolli schlürfte ihren Kaffee. »Zum Beispiel über Hermes. Erzähl ihr was von Hermes.«
    »Er ist ein echter Psychopomp.« Luis warf Val einen bösen Blick zu, damit sie ihn ja nicht fragte, was das bedeutete. »Er wandert zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten hin und her. Eine Art Bote. Das, meint Lolli, soll ich sagen. Aber lassen wir das. Du hast wegen der Ratten gefragt, ob die vielleicht Polly schnappen. Was weißt du über Ratten?«
    Val schüttelte den Kopf. »Wenig. Eine ist mir auf dem Weg hierher über den Fuß gelaufen, glaube ich.«
    Lolli protestierte, und sogar Dave musste lächeln, aber Luis verzog keine Miene. Seine Stimme klang wie bei einem Ritual, als hätte er schon oft gesagt, was jetzt folgte. »Ratten werden vergiftet, erschossen, in die Falle gelockt und geschlagen, genau wie Leute, die auf der Straße leben, genau wie Menschen, genau wie wir. Jeder hasst Ratten. Die Leute können es nicht haben, wie sie sich bewegen, wie sie springen, und sie können das j agende Geräusch nicht ausstehen, das ihre Pfoten auf dem Boden machen. Die Ratten sind immer die Bösen.«
    Val warf einen Blick in die Schatten. Luis erwartete offenbar eine Reaktion von ihr, aber sie hatte keine Ahnung, wie die richtige Antwort lautete. Sie wusste nicht mal, ob er überhaupt wusste, wovon er redete.
    Luis fuhr fort: »Doch sie sind stark. Ihre Zähne sind härter als Eisen. Sie beißen sich überall durch, durch Holzpfähle,
Wandputz, Kupferrohre, einfach durch alles, außer durch Stahl.«
    »Oder Diamanten«, sagte Lolli mit einem frechen Grinsen. Seine Rede schien sie kaltzulassen.
    Luis machte nur eine winzige Pause, um zu zeigen, dass er sie gehört hatte. Sein Blick blieb auf Val gerichtet. »Früher haben die Leute sie hier in der City kämpfen lassen. Kämpfe gegen Frettchen, gegen Hunde, gegen Menschen. So hart sind Ratten.«
    Dave lächelte, als würde das alles einen Sinn ergeben.
    »Schlau sind sie auch noch. Hast du schon mal eine Ratte in der U-Bahn gesehen? Manchmal steigen sie an der einen Station ein und an der nächsten wieder aus. Sie machen einen Ausflug.«
    »Das habe ich noch nie gesehen«, sagte Lolli spöttisch.
    »Ist mir ganz egal, ob du das schon gesehen hast oder nicht.« Luis sah Dave an, der jetzt nicht mehr zustimmend nickte, und wandte sich dann wieder Val zu. »Und wenn ich morgens, mittags und abends ein Loblied auf die Ratten anstimmen würde - deine Gefühle für sie würden sich kein bisschen ändern, oder? Und wenn ich dir erzähle, dass es da draußen Wesen gibt, die über dich so denken wie du über Ratten?«
    »Wer denn? Was denn für Wesen?«, fragte Val und dachte daran, was Lolli in der letzten Nacht gesagt hatte. »Meinst du etwa El-« Lolli grub Val die Fingernägel in den Arm.
    Luis sah sie lange an. »Noch was über Ratten. Sie sind neophobisch. Weißt du, was das bedeutet?«

    Val schüttelte den Kopf.
    »Sie misstrauen allem Neuen«, sagte Luis, ohne zu lächeln. »Was wir besser auch tun sollten.« Dann stand er auf, schnipste seine Kippe auf die Schienen, ging die Treppe hoch und verließ die U-Bahn-Station.
    So ein Arschloch! Val zog an einem losen Faden ihrer Jeans und ribbelte den Stoff auf. Wäre besser, wenn ich nach Hause ginge, dachte sie. Aber sie blieb dort, wo sie war.
    »Reg dich über den nicht auf«, sagte Lolli. »Nur weil er Dinge sehen kann, die wir nicht sehen können, hält der sich für was Besseres.« Sie wartete, bis Luis außer Sicht war, und holte dann eine kleine Butterbrotdose mit einer rosa Katze darauf hervor. Nachdem sie den Deckel abgenommen hatte, holte sie ein T-Shirt heraus, rollte es auf und breitete es auf dem Boden aus. Dann verteilte sie den Inhalt der Dose darauf: eine Spritze, einen alten Löffel, an dem das Silber teilweise abgesprungen war, eine hautfarbene Strumpfhose sowie mehrere schmale verschließbare Plastiktüten mit einem bernsteinfarbenen Pulver, das in dem trüben Licht bläulich schimmerte. Als Lolli eine Seite ihres Morgenmantels herunterfallen ließ, entdeckte Val schwarze Stellen an der Innenseite ihres Ellbogens, als wäre die Haut dort versengt.
    »Lass das, Lolli«, sagte Dave. »Nicht vor ihr.«
    Lolli lehnte sich gegen einen Haufen Kissen und Säcke. »Ich mag Nadeln. Ich mag das Gefühl von Stahl unter meiner Haut.« Sie sah Val an. »Einen kleinen Kick kriegt man schon, wenn man sich Wasser spritzt. Man kann sich sogar
Wodka

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