Elfenkrieg
schüttelte ihren Kopf. »Nur auf die Drachen, doch sollte einem von ihnen etwas zustoßen, geschieht dasselbe mit dessen Seelenpartner.« Unbewusst strich sie wieder über die Wunden an ihren Armen. »Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie irgendjemand das Herz ohne Schlüssel benutzen könnte«, sagte sie, auch wenn sie bereits einen Verdacht hegte, den sie im Moment jedoch noch geheim halten wollte.
»Noch nicht einmal eine Magierin wie Meara oder die Fürsten?« Liadan riss ihre Augen auf. »Und wenn sie den Schlüssel bereits haben?«
»Nein.« Zum ersten Mal seit langem konnte Aurün lächeln. »Sie haben den Schlüssel bestimmt nicht. Der ist gut verwahrt.«
»Und wo?«, fragte Ardemir, woraufhin Liadan ihm jedoch die Hand auf den Arm legte.
»Das geht uns nichts an, Ardemir.« Sie wandte sich wieder an Aurün. »Es tut mir leid. Ihr seid die Prinzessin, entschuldigt, die Königin der Drachenelfen, und Eurem Volk ist Schreckliches widerfahren. Ich werde alles Mögliche unternehmen, um Euch zu helfen, sie wieder zu befreien. So lange seid Ihr in Lurness willkommen.«
Es waren die Worte einer Königin, doch aus Liadans Mund wirkten sie echt und tröstend. Es war kein Versprechen, das sie nur aussprach, weil sie selbst und ihr eigenes Volk durch dieunbekannte Bedrohung in Gefahr waren. Sie hätte Aurün auch so geholfen. Zumindest nahm Aurün dies an. Eamon hätte es getan.
»Als Erstes müssen wir sicherstellen, dass der Schlüssel außer Gefahr ist«, sagte Aurün. »Und wir müssen herausfinden, wer meine Leute gefangen hält, wer ihnen so etwas antut.«
Liadan nickte. »Die Nebelgestalten müssen von jemandem beauftragt sein. Jemandem mit Macht.«
»Wo ist der Schlüssel?«, fragte Ardemir noch einmal, den mahnenden Blick seiner Cousine ignorierend.
Aurün lächelte. »Ich habe ihn einem Freund anvertraut. Vor nicht ganz vierundachtzig Jahren.«
»Vor ...« Liadan kniff ihre Augen zusammen. »Ihr habt ihn Eamon gegeben.«
Aurün nickte. Nach dem Tod ihres Bruders in der Schlacht bei Edora hatte sie die Verantwortung über den Schlüssel bekommen. Es war ihr zu gefährlich gewesen, diesen in der Nähe des Herzens aufzubewahren, und so hatte sie ihn dem einzigen Elfen gegeben, dem sie uneingeschränkt vertraute. Niemand würde jemals bei ihm nach dem Schlüssel suchen – zumal er sich nicht einmal in dieser Welt aufhielt.
Ardemir presste sich die Hand an die Stirn. »Sieht so aus, als müssten wir eine lange Reise antreten«, sagte er und erhob sich.
»Du hast recht.« Liadan richtete sich ebenfalls auf. »Eamon muss gewarnt werden. Ich will, dass du das machst, unser Verdacht soll vorerst unter uns bleiben und ...« Sie warf einen kurzen Seitenblick auf Aurün, wandte sich jedoch sofort wieder ihrem Vetter zu. »Sag ihm, dass wir seine Hilfe brauchen, nicht nur der Drachen wegen.«
»Ja. Eamon könnte ihm vielleicht helfen. Sie stehen sich nah. Wenn nicht er, wüsste ich nicht, wer sonst.«
»Ich werde Euch begleiten«, sagte Aurün und wagte es, aufzustehen. Sie fühlte sich noch etwas schwach, doch das würde schnell vorbeigehen. »Eamon besitzt den Schlüssel zum Herzen des letzten Drachenkönigs. Ich muss selbst mit ihm sprechen.« Sie sprach die Wahrheit, doch ebenso wusste sie, dass dies nicht der einzige Grund war, Ardemir zu begleiten. So lange hatte sie Eamon nicht mehr gesehen, und doch war kein Tag vergangen, an dem sie nicht an den einstigen König der Dunkelelfen, an Liadans älteren Bruder gedacht hatte. Er hatte sie vom ersten Augenblick an verzaubert. Niemals zuvor war ihr jemand mit reinerem Herzen begegnet, jemand, der so gütig und freundlich war und zugleich mutig und stark. Nach der Wiedervereinigung Elvions war er in die Welt der Menschen gegangen. Er hatte ihre Gefühle niemals erwidert, denn er war genauso wie Nevliin in Vanora verliebt gewesen, doch seither war viel Zeit vergangen. Zeit, die einen Funken Hoffnung in ihr weckte.
»Das ist Eure Entscheidung«, sagte Liadan. »Ihr seid jetzt Königin der Drachenelfen. Ihr solltet Euch ausruhen. Finola wird später noch einmal nach Euch sehen.«
»Ich muss ohnehin zuerst ins Sonnental«, warf Ardemir ein. »Ich will mit Vin sprechen. Falls die Fürsten etwas mit dem Verschwinden der Drachen zu tun haben, kann sie uns vielleicht helfen.«
»Vinae Thesalis«, schnaubte Liadan. »Du warst doch erst vor kurzem bei ihr. Hätte sie nicht längst etwas erwähnen müssen? Drachen können doch nicht so einfach übersehen
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