Elfenkrieg
Stelle verharrend, versuchte er etwas auszumachen. Eine Bewegung, ein Geräusch. Doch da war nichts.
So lautlos wie möglich hängte er sich den Bogen um die Schulter und nahm sein Kampfmesser vom Gürtel. Diese Waffe würde ihm hier ohne Ziel vor Augen nützlicher sein.
»Nevliin«, flüsterte er schließlich und hielt die Klinge vor sich, bereit, zuzustechen. Er ging weiter und erkannte schon bald die dunkelgrüne Drachenpanzerung von Nevliins Rüstung. Dieser stand reglos, das Schwert hielt er senkrecht, die Spitze zeigte in die Höhe.
Einen Fluch unterdrückend, ging Ardemir auf ihn zu, und als er ihn genauer sehen konnte, legte Nevliin einen Finger an die Lippen.
Ardemir erstarrte. Was führte dieser verfluchte Mistkerl nur wieder im Schilde?
Konzentriert beobachtete er den Befehlshaber, der sich mit geschlossenen Augen langsam um die eigene Achse drehte, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Die Breitseite der Klinge war an der rechten Schulter abgelegt – bereit, einen Streich auszuführen. Seine Stirn zog sich leicht in Falten, er blieb stehen, und im nächsten Moment fuhr die geschwungene Klinge herab. Ein weiblich klingendes Stöhnen war zu hören, nichts sonst. Kein Schrei, kein Ausdruck des Schmerzes. Eher hatte es überrascht geklungen.
Ardemir klappte der Mund auf, doch Nevliin war gefasst. Er riss das Schwert zurück, streckte die Hand aus, um das Opfer zu ergreifen, und zog eine schemenhafte Gestalt zu sich heran.
Der Nebel begann sich erstaunlich schnell aufzulösen und gab blondes Haar preis, das in Wellen bis zur Hüfte der Frau reichte. Die weite Kleidung schien selbst aus Nebel zu bestehenund wurde lediglich durch eine Kordel an der Taille zusammengehalten. Ein simpler Haarreifen hielt die atemberaubende Haarpracht zurück, von dem ein Schleier über das Gesicht der Frau herabfiel und sich mit denen an ihrem Körper verband. Beide waren aus demselben hellblauen Tuch und erinnerten Ardemir an den Wind, der den Nebel fortblies.
Hätte er es nicht besser gewusst, hätte Ardemir gemeint, eine Göttin aus den Menschensagen vor sich zu haben, auch wenn er das Gesicht der Frau nicht sah.
Dann starrte er wie unter einem Bann stehend auf Nevliins gepanzerte Hand, die langsam von der Schulter seines Opfers herabglitt und schlaff an seine Seite sank.
Es waren nur wenige Herzschläge vergangen, seit Nevliin sein Schwert vorgestoßen hatte, und so schnell, wie die Gestalt vor ihnen erschienen war, verschwand sie auch wieder. Fremde Hände packten sie an den Armen und zogen sie zurück in das, was vom Nebel noch übrig war.
Nevliin senkte in unwirklicher Langsamkeit den Blick und starrte auf das Blut auf seiner Klinge.
Hinter ihnen beim Tempel brach Jubel aus. Niemand hier konnte so richtig glauben, dass der Nebel aus der Tempelstadt wich, ohne dass es Tote gegeben hatte. Am allerwenigsten Ardemir selbst.
»Sie sind aus Fleisch und Blut!«, rief eine Elfe von den Rittern. »Seht das Blut!« Die Tempelwachen stürmten jubelnd die Treppe herab. Auch das Tor wurde wieder geöffnet, und die Priesterinnen wagten sich heraus.
»Es muss eine der Anführerinnen gewesen sein«, sagte Ardemir, während er sich in der plötzlich wieder klaren Nacht umsah. »Eine Magierin, die den Nebel gebracht hat. Ihre Wunde hat den Zauber ...«
Nevliin drehte sich so abrupt um, als wäre er von einer unsichtbarenMacht herumgerissen worden. Er steckte das Schwert zurück in die Scheide und trabte los, den Blick auf den Boden gerichtet.
Ardemir seufzte. »In Ordnung«, murmelte er, als er die Blutstropfen auf dem hellen Pflaster des Hofs erkannte. »Wir verfolgen die mordgierigen Magier also.«
Er drehte sich zum Tempel um und befahl den Rittern, die Verwundeten zu versorgen, dann folgte er Nevliin.
»Lass sie gehen«, sagte er, als er den Befehlshaber einholte. »Du hast eine von ihnen verwundet. Die anderen wissen, dass es keine Geister sind. Es ist genug.«
»Sie ist es.«
»Wer?«
Nevliin blieb stehen und sah ihn an. Die Antwort war ein Strahl aus den schwarzen Augen, der einen Einblick in seine dunkle Seele bot. Nevliins blondes Haar, das er stets im Nacken zusammengebunden hatte, war grau durch all den Ruß, genauso wie sein Gesicht, doch das war es nicht, das plötzlich so fürchterlich an ihm war.
Ardemir kannte diesen Blick. Er kannte den Befehlshaber zu gut, als dass ihm dieser winzige Funke der Entschlossenheit in den immerzu kalten Augen entgehen könnte.
»Vanora.«
Mit diesem Namen auf den Lippen
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