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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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der Freundschaft und des Mutes.
    Melvyn fühlte einen bittersüßen Schmerz. Und er fühlte sich betrogen! Warum hatte er Ollowain kennen lernen müssen, wenn er ihn gleich darauf wieder verlor?
    »Ein Licht, das zu hell brennt, muss früh verlöschen, so heißt es.« Die volltönende Stimme des Kentaurenfürsten trug über das weite Feld. »Ein solches Licht war Ollowain. Ein Vorbild in seiner Ritterlichkeit. Nie habe ich ihn fragen hören, was nutzt es mir, wenn man ihn um seine Hilfe bat. Er war dort, wo Unrecht sein Haupt erhob, und er fand keine Ruhe, bis der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen ward. Sein unverrückbarer Glaube daran, dass die Gerechtigkeit zuletzt immer siegen würde, war vielleicht sein herausragendster Charakterzug. Nie scheute er davor zurück, für eine scheinbar verlorene Sache einzustehen. Und deshalb war er zu uns gekommen, meine Brüder. Erinnert euch, wie verzagt wir waren. Wie wir Woche um Woche im Heerlager warteten, so wie ein zum Tode Verurteilter in seiner Zelle auf seine Hinrichtung wartet. Wir wussten, wie viele Trolle sich auf der Ebene am Mordstein sammelten. In unseren Herzen waren wir schon besiegt, noch bevor wir unsere erste Schlacht geschlagen hatten. Ich weiß nicht, wie es um euch steht, meine Brüder, doch mir hat Ollowain meinen Mut zurückgegeben. Die Schlacht am Mordstein war ein Sieg für uns, denn die Trolle mussten lernen, dass sie sich zu keiner Stunde und an keinem Ort sicher vor uns fühlen können – und dass auch ihre Zahl sie nicht vor unseren Angriffen schützt. Ollowain, der Schwertmeister Emerelles, hat für unsere Sache sein Leben gegeben. Ich weiß, dass manche sich fragen, warum wir den Krieg gegen die Trolle nicht aufgeben. Sie sagen, die Trolle würden nur durch unser Land ziehen und uns nicht weiter behelligen. Sie glauben, dass es allein der Thron Emerelles ist, was sie begehren. Ich sage euch, wer das annimmt, ist blind. Sie werden immer mehr, die Trolle, und ihr Hunger ist berüchtigt. Hunger auf Fleisch! Sie werden uns zwingen, ihnen Tribut zu zahlen. Sie werden die besten Tiere aus unseren Herden fordern. Und ihr Hunger wird unersättlich sein. Bald werden sie sagen, die Herden gehörten ihnen, denn sie seien die Herren des Landes und das Land ernähre die Herden. Dann werden wir nur noch ihre Viehtreiber sein. Ollowain wusste, dass es so kommen würde. Er war ein Freund der freien Steppenvölker. Er wusste, dass wir unsere Freiheit brauchen wie die Luft, die wir atmen. Mit seinem Tod hinterlässt er uns ein Vermächtnis. Er hat sein Fleisch gegeben, um unseres zu schützen. Lasst seinen Tod nicht sinnlos gewesen sein!«
    Orimedes breitete die Arme aus und streckte sie dem Himmel entgegen. »Ich weiß nicht, wohin deine Seele gegangen ist, mein Schwertbruder Ollowain. In meinem Volk glauben wir, die Seelen der Toten reisen mit dem Wind, der über die Steppe weht. Vielleicht reitest auch du nun den Wind. Was ich aber ganz gewiss weiß, ist, dass du immer stolz auf uns sein sollst. Dein Opfer war nicht vergebens. Wir werden den Kampf gegen die Trolle nicht aufgeben. Wir werden fechten, bis wir den Sieg errungen haben, der unsere Freiheit bewahrt. Den Sieg, an dem du nie gezweifelt hast.«
    Orimedes hob das Schwert und streckte die Klinge dem Mond entgegen. »Hörst du mich, Südwind? Trage meine Worte zu meinem toten Freund. Du warst als Elf geboren, aber gestorben bist du für mein Volk. Und gleich, wie oft die Sonne sich noch über die Steppe erheben mag, bis unsere Welt zerbricht und das Ende aller Zeiten naht, deinen Namen und deine Taten werden wir für immer auf unseren Lippen tragen. So lange es Kentauren gibt, wirst du unvergessen sein, Ollowain!«
    Der Fürst verstummte, und einen Herzschlag lang herrschte Stille auf der Wiese. Melvyn dachte daran, wie er Ollowain gegen die Kobolde hatte kämpfen sehen. Wie konnte ein Mann, der Armbrustbolzen auszuweichen vermochte, von schwerfälligen Trollen getötet werden? Dieses Geheimnis würde sich ihm wohl niemals erschließen.
    »Lasst seinen Namen wie einen Sturmwind zum Himmel fahren!«, rief Orimedes plötzlich. »Ollowain!«
    Melvyn stimmte in das Geschrei ein. »Ollowain! Ollowain!«, rief er immer wieder, bis ihm die Kehle brannte, und tatsächlich fühlte er sich danach besser. Den Namen des Helden von tausenden Stimmen gerufen zu hören, hatte etwas Befreiendes. Und seine Traurigkeit stieg mit dem Ruf dem Himmel entgegen.
    Nach einer Weile breitete Orimedes die Arme aus, und langsam

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