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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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gegenüber intellektuell unterlegen zu fühlen. Er ist auch der Auffassung, viele von ihnen kompensieren das durch Pferdeschweife oder üppige Federbüsche auf ihren Helmen. Das halte ich persönlich für zu weit gegriffen, aber ...«
    »Blablabla.« Melvyn wandte sich lachend an Nestheus. »Man sollte einem Lamassu niemals die Gelegenheit geben, mit seiner Weisheit zu prahlen. Die quatschen dir die Ohren vom Kopf ... Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«
    »Unser niedliches Fohlen verrenkt sich sicher den Hals nach der kleinen Stute, mit der er gestern auf der Weide bei dem Birkenhain zugange war. Soll ich mal ‚ne Runde über das Lager drehen und mich nach dem Mädel umsehen? Das wäre vielleicht weniger umständlich. Deine Zappelei schlägt mir allmählich auf den Magen.«
    Der Kentaur blickte erschrocken zu Artaxas auf. »Du hast ...«
    »Wenn man Freunde hat, die fliegen können, sollte man auch den Himmel im Auge behalten, Nestheus.« Der Lamassu lächelte verschwörerisch. »Aber keine Sorge. Nur weil ich gerne rede, heißt das nicht, dass ich kein Geheimnis für mich behalten könnte.«
    »Würde mir mal jemand sagen, worum es geht?«, brummelte Melvyn beleidigt.
    »Tja, als Fußgänger hat man ein sehr eingeschränktes Weltbild«, stichelte Artaxas. »Unser vierbeiniger Freund hat sich in eine hübsche Schimmelstute verguckt. Von oben sah es so aus,
    als sei sie von ihm auch recht angetan.«
    Nestheus wurde rot. »Du hast uns doch nicht etwa ...«
    »Junge Liebe wärmt einem das Herz, wenn man so ein alter Knochen ist wie ich.« Melvyn wurde langsam ärgerlich. Dieser Abend sollte ganz dem Andenken an Ollowain gewidmet sein, doch seinen beiden Freunden schien es nur um andere Dinge zu gehen.
    »Sie heißt Kirta und gehört zum Klan der Frostkinder«, sprudelte es unvermittelt aus Nestheus hervor. »Ich habe sie vor zwei Jahren während eines Viehmarkts hier in Feylanviek kennen gelernt. Du hast sie gesehen, Artaxas. Sie ist wunderbar! Ihre Fesseln sind wie zarte Birkenstämme, ihr Haar wie Raureif an einem kalten Frühlingsmorgen. Und wenn du ihre Stimme hören könntest. Süß und melancholisch wie der Ruf des Eistauchers in der ersten Dämmerung. Sie ist wie ...«
    »Schreibst du ihr etwa Gedichte?«, unterbrach ihn Artaxas.
    Der Kentaur wirkte verdattert. »Ja«, gestand er schließlich ein.
    »Das merkt man. Wann stellst du sie uns vor? Ich hätte nie zu hoffen gewagt, auf meine alten Tage noch einmal dem vollkommensten aller Geschöpfe zu begegnen«, scherzte der Lamassu.
    Melvyn brannten die Worte des Kentauren in der Seele. Er musste an Leylin denken, und er wünschte, er wäre allein.
    »Sie wird nicht zum Fest kommen ... hoffe ich. Ich habe sie darum gebeten. Es wäre nicht gut.«
    »Weil nur Männer sich besaufen?«
    Der Pferdemann schüttelte den Kopf. »Mein Vater hat mir den Umgang mit ihr verboten.« Artaxas lachte laut auf. »Und darum scherst du dich? Junge, ich hab dich auf dem Schlachtfeld gesehen. Vor dir hatten selbst Trolle Angst, und du scherst dich um den Segen deines Vaters! Schnapp dir dein Mädel und verschwinde. Ich wette, Orimedes wird sich damit abfinden. Du bist doch sein einziger Sohn. Er wird es nicht lange ohne dich aushalten. Mit Vätern muss man manchmal die harte Gangart proben. Du wirst sehen, der kommt schon wieder zur Vernunft.«
    »Das glaube ich kaum. Er kann sehr verstockt sein ...«
    »Ach, Junge. Du bist ein Geschenk des Schicksals. Ein kostbares Kleinod, das sein Leben bereichert. Aber du bist nicht sein Besitz. Als du ein Fohlen warst, hatte er vielleicht das Recht, dir zu sagen, wo es langgeht. Aber jetzt doch nicht mehr! Du bist ein Mann! Ein Krieger! Du hast auf dem Schlachtfeld das Blut deiner Feinde vergossen. Elodrin und die Hälfte der Anführer unseres Heeres verdanken dir ihr Leben. Ohne deine letzte Attacke wäre die Schlacht am Mordstein zu einem schaurigen Gemetzel für uns geworden. Dir sprießt kaum ein Barthaar auf den Wangen, und du bist berühmt. Nicht einmal dein Vater kann sich jetzt noch gegen dich stellen. Jedenfalls wird er das nicht tun, wenn er ein kluger Mann ist, und den Eindruck hatte ich bislang von ihm.«
    Sie erreichten die Festwiese. Orimedes stand auf einem sanften Hügel nahe dem Fluss. Neben ihm war eine große Balkenwaage aufgerichtet. Auch hatte man einen Karren mit Weinamphoren auf den Hügel gebracht. Der Fürst hatte die Totenrede schon begonnen. Hunderte Kentauren standen schweigend und lauschten seinen Worten. Worten

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