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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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südlichen Himmel, den die Abenddämmerung mit einem tiefen, samtenen Blau überzogen hatte, aus dem scharf die Sichel des Mondes hervorstach. Irgendwo dort in der Ferne war Leylin. Und sie blickte zum selben Mond. Und vielleicht hoffte sie noch auf ihn. Er hatte ihr Leben zerstört. Diese Schuld würde er niemals abtragen können. Das Einzige, was er für sie tun konnte, war, sie von Shandral fortzuholen. Sie würden wieder mit den Adlern schwerelos im Himmel tanzen. Er wollte sie vergessen lassen, dass sie ihre Beine verloren hatte. Wollte ihr das scheue Lächeln auf die Lippen zaubern, in das er sich verliebt hatte. Wollte sein Gesicht in ihrem langen Haar vergraben und zwischen ihren Schenkeln versinken. Er würde sie finden! Oder er würde auf der Suche nach ihr sterben.
    Er dachte an Ollowain. Nur ein paar Tage hatte er ihn erlebt. Er war so voller Kraft gewesen. So voller Zuversicht. Jeder Zoll ein Ritter. Alles schien möglich, wenn man Ollowain auf seiner Seite hatte. Schon als kleiner Junge hatte er Geschichten über ihn gehört. Sein Vater Alfadas war angeblich einmal sein liebster Schüler gewesen. Aber ein Ritter wie Ollowain war Alfadas nicht geworden, dachte Melvyn. Ollowain hätte ihn nicht allein gelassen. Er war genau so gewesen, wie er ihn sich als kleiner Junge vorgestellt hatte.
    Melvyn lächelte bitter, als er an seine erste Begegnung mit dem Ritter dachte und daran, wie Ollowain ihn in Eisen hatte legen lassen. Er hatte wohl Recht damit gehabt. Aber trotz allem hatte der Ritter ihm vertraut. Das war ein gutes Gefühl gewesen.
    Melvyn blickte zu Artaxas auf, der neben ihm her schritt. Der Lamassu hatte sich ihm und Nestheus auf dem Weg zur Festwiese angeschlossen. Er hatte ein Funkeln in den dunklen Augen, und ein verschmitztes Lächeln spielte um seine Lippen. Melvyn kannte diesen Gesichtsausdruck nur zu gut. Seinem Freund saß an diesem Abend wieder einmal der Schalk im Nacken. Er war auf der Suche nach einem Besäufnis und einer netten Schlägerei. Aus Artaxas wurde man nicht schlau, er konnte gestelzt daherreden wie ein Philosoph und im nächsten Augenblick fluchen, dass selbst abgebrühte Söldner blass wurden. Seine Launen waren so wechselhaft und unvorhersehbar wie das Frühlingswetter an der Küste Alvemers. Er war ein Rätsel auf vier stämmigen Stierbeinen. Und ein treuer Freund.
    »He, Pferdearsch. Redest du nicht mit uns? Wie feiern deine Leute einen Toten? Das würde ich auch gern wissen, bevor ich einen Abend an einem Ort vergeude, an dem man nur auf feuchte Wangen, nicht aber auf feuchte Kehlen hoffen darf.«
    Melvyn zuckte innerlich zusammen. Jetzt ging es also los mit Artaxas. Doch Nestheus tat so, als habe er die Beleidigungen überhört. Er wirkte nervös an diesem Abend. Der weiße Kentaur schien ihnen kaum zuzuhören. Sein Schweif peitschte unruhig, und er blickte sich ständig um. »Was erwartet ihr bei einem Fest meines Volkes? Wir werden uns besaufen, bis wir umfallen, und vorher wird man ein paar ergreifende Reden über den Toten halten.«
    »Willst du wirklich mitkommen, Artaxas?«, fragte Melvyn in der vagen Hoffnung, den Lamassu doch noch umstimmen zu können.
    Sein Freund grinste breit. »Warum nicht? Heute steht mir der Sinn danach, meinen Horizont zu erweitern. Nimm es mir nicht übel, aber es ist nicht wirklich eine Herausforderung an meinen Intellekt, meine Abende plaudernd mit einem Hauptmann zu verbringen, der seine Kindheit in einer Wolfshöhle verbrachte. Ich brauche Abwechslung von dir.«
    »Und was erwartest du auf einem Kentaurenfest? Neue Einblicke in das Paarungsverhalten volltrunkener Hengste?«
    Artaxas schnalzte mit der Zunge. »Du bringst mich noch auf Ideen ... Eigentlich hoffte ich darauf, Elodrin zu begegnen und ihn dazu zu überreden, die wilde Sauforgie zu verlassen und sich stattdessen mit mir im Falrach-Spiel zu messen. Angeblich soll er ja recht gut sein. Aber falls er nicht kommt, werde ich herausfinden, wie viel Wolfsmilch ein Lamassu braucht, um von den Hufen zu kippen, und bis das geschieht, beschäftige ich mich mit den Studien, die du anregst, Melvyn.«
    »Welcher Teil von dir ist eigentlich für deine altkluge Ader verantwortlich, der Stier, der Adler oder jenes obskure Wesen, dem du das Gesicht verdankst, das du hinter deinem Bart versteckst?«
    »Ist das ein Anflug von Bartneid? Ein Freund von mir hat darüber einen hübschen Aufsatz verfasst. Er glaubt, Elfen als bartlose Geschöpfe hätten generell die Neigung, sich Bartträgern

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