Elfenmeer: Roman (German Edition)
das Elfen, die Nevliin von Valdoreen verehrten. Er hatte genug davon. All die verliebten Nevliin-Bewunderinnen hatten es sich zur Aufgabe gemacht, ihm nachzustellen und ihn über den Weißen Ritter auszufragen. Sie wollten sein Schwert berühren oder, was am schlimmsten war: sein Haar! Aus diesem Grund war er fast froh gewesen, Valdoreen zu verlassen, denn außerhalb des Fürstentums war die Verherrlichung Nevliins nicht ganz so ausgeprägt. Doch in Lurness war er von seinen Kameraden häufig auf diesen berühmten Ritter aus seiner Familie angesprochen worden, und sogar der Befehlshaber hatte ihn hin und wieder mit ihm verglichen. »Wie Nevliin!«, hatte er während einer Schwertübung gerufen. »Du bewegst dich wie er!« Es war grauenvoll.
»Willst du ihn sehen?«
Valuar atmete tief durch. »Wen sehen?«, fragte er, bemüht, sich seinen Unmut nicht anhören zu lassen. Sie konnte ja schließlich nichts für seine Abneigung gegen diesen Ritter. Sie wusste nicht, was es hieß, als Nachfolger eines Mannes wie Nevliin von Valdoreen aufzuwachsen.
»Na, den Talisman!«, rief sie aus und kam noch näher. Ihre Atemzüge gingen schnell und keuchend. Das Sprechen in diesen Höhen war der reinste Kraftakt, aber für sie gab es kein Halten mehr. Ihre Hand berührte seine Brust, und obwohl er über der einfachen Anwärterkleidung auch noch den Umhang um sich geschnürt hatte, meinte er, ihre Berührung bis auf die Haut spüren zu können. Doch dann strich ihre Hand auch schon zur Seite, berührte seinen Arm, fuhr weiter hinab und fand schließlich seine Finger. »Hier.« Sie führte seineHand hoch zu ihrem Hals. Erneut spürte er ihren Atem im Gesicht, während er ein flaches Etwas an einer Schnur in der Hand hielt.
Valuar schloss seine Finger darum. Er spürte, wie sie ihm ihren Hals entgegenreckte, damit er den Talisman besser begutachten konnte. Er vermochte sie sich genau vorzustellen, auch wenn er in Wahrheit nichts als Schwärze sah. Ihr Anhänger interessierte ihn nicht im Geringsten, doch er hatte dadurch eine neue Möglichkeit erhalten. Langsam lehnte er sich weiter vor, hielt den Atem an und versuchte, sich voll und ganz auf sie zu konzentrieren, seine Sinne zu schärfen, da er ja nichts sehen konnte. Jeden Moment müsste er ihre Haut berühren, ihre Lippen …
»Ist er nicht zauberhaft?« Marinel wich zurück, und Valuar entfuhr die angehaltene Luft. Sie schien davon jedoch nichts zu bemerken.
»Nevliin meinte, es wäre sein Glücksbringer«, fuhr sie fort, »und er hat ihn mir einfach so geschenkt! Er sagte – und das werde ich nie vergessen –, er hätte sein Glück schon gefunden.«
Valuar ließ sich zurück gegen die Wand sinken und versuchte, seinen rasenden Herzschlag wieder zu beruhigen, während Marinel weiterredete und für jedes Wort tief Atem holen musste.
»Ist das nicht romantisch?«, schwärmte sie mit jener ihm nur zu bekannten Verliebtheit, die er stets in Verbindung mit Nevliins Namen erleben musste. »Und er hatte tatsächlich Glück! Er gab mir den Talisman und überlebte in Tantollon. Das war ein Wunder! Dann wurde er auch noch von Meerjungfrauen gerettet und …«
»Ja, ich kenne die Geschichte.«
»Natürlich.« Einen Moment lang war es still, dann rutschtesie wieder näher an ihn heran. »Wie war er denn so?«, fragte sie ihn plötzlich flüsternd, als erwartete sie, ein Geheimnis von ihm zu hören. »Also ganz privat, im Kreise der Familie.«
»Das ist mir nicht bekannt. Ich bin ihm niemals begegnet.«
»Wie bitte?« Marinels Hand fiel auf seine Schulter, doch am liebsten hätte er sie weggewischt. »Wieso nicht?«, fragte sie ihn verwundert. »Er war doch der Vetter deines Vaters. Du bist von seinem Blut!«
Oh ja, das war sein Fluch. Er war vom Blute des Weißen Ritters. Was für ein Unsinn!
»Er starb noch vor meiner Geburt«, winkte er ab, obwohl dies nicht der Wahrheit entsprach. Marinel war aber, wie erwartet, viel zu aufgeregt, um nachzurechnen. Der Grund, weshalb Valuar den Weißen Ritter niemals kennengelernt hatte, war simpel – Nevliin war zwar der Fürst von Valdoreen gewesen, hatte sich dort aber niemals blicken lassen. Viel lieber hatte er ja den Helden gespielt und sich von seinen Leuten feiern lassen, während Valuars Vater Vlidarin das Land für ihn geführt hatte, ohne jemals Ruhm dafür zu ernten. Niemanden schien zu kümmern, dass Nevliin kein wahrer Fürst gewesen war. Noch nicht einmal Valuars Vater hegte deswegen einen Groll gegen seinen Vetter. Das Land
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