Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
einen Park, in dem Magier Figuren aus Blütenblättern durch die Luft tanzen ließen.
    Ollowain hatte keinen Blick für die Schönheit des Zaubers. Argwöhnisch musterte er die dichten Bäume und suchte nach einem weiteren verborgenen Schützen. Der Weg hinab zum Hafen zog sich in qualvolle Länge. Emerelle hingegen gab sich unbeschwert. Sie genoss es, bejubelt zu werden, und versprühte einen Liebreiz, dem selbst die stierköpfigen Minotauren nicht zu widerstehen vermochten, obwohl sie allgemein für ihre griesgrämige Religiosität verschrien waren, die kein Lächeln oder gar lauten Jubel duldete.
    Unbehelligt gelangte die Herrscherin bis zu dem Kai, an dem die Mondschatten vertäut lag. Selbst Ollowain, der Emerelle täglich so nahe kam wie kaum ein Zweiter in ihrem Gefolge, fühlte sich ergriffen von der Aura seiner Königin. War es ein Zauber? Oder war es das wahre Gesicht der Herrscherin, das sich auf einmal zeigte? Er vermochte es nicht zu sagen.
    Die Wachen der königlichen Prunk-Liburne bildeten ein Spalier, als ihre Gebieterin an Bord kam. Auf dem Hauptdeck standen entlang einer festlichen Tafel die bedeutendsten Fürsten Albenmarks. Kein Platz war leer geblieben. Ollowain musterte die stolzen Gesichter. Die Mehrheit der Fürsten waren Elfen. Sie vertraten die Völker der Meere und Ebenen, der fernen Inseln und der Eisebenen aus der Snaiwamark.
    Sie alle verbeugten sich vor Emerelle, als sie das Schiff betrat, selbst Shahondin von Arkadien. Manche der Edlen lächelten ironisch, wie um der altüberlieferten Geste der Ehrerbietung etwas von ihrem Pathos zu nehmen. Doch keiner wagte es, Eme-relle offen herauszufordern, indem er ihr die Verbeugung verweigerte. Die Schmetterlinge hatten sich wieder auf Emerelles Gewand niedergelassen. Das Bad in der Menge hatte der Königin nichts von ihrer majestätischen Erscheinung genommen. Gemessenen Schrittes stieg sie zum Achterdeck hinauf, wo alle Gäste sie sehen konnten.
    Eine junge Elfe trat an Ollowains Seite. Yilvina. Ollowain hatte sie zur Kommandantin der Elfengarde auf der Mondschatten bestimmt. »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie leise.
    »Nein«, murrte der Schwertmeister. »Sieht es so aus? Welche Vorkehrungen hast du zur Sicherheit der Königin getroffen?«
    »An Bord stehen zweiundsiebzig Krieger unter Waffen. Die Mastkörbe sind mit Armbrustschützen besetzt. Auf dem Achterdeck stehen meine zuverlässigsten Kämpfer. Sie alle sind mit Turmschilden gewappnet, so wie du es befohlen hast. Und sollte es zum Schlimmsten kommen, sind drei verschiedene Fluchtwege vorbereitet.« Ollowain entspannte sich ein wenig. Er hatte mit Yilvina gemeinsam in vielen Schlachten gekämpft. Selbst beim Massaker in Aniscans, als sie von einer Übermacht von Barbaren eingekreist worden waren, hatte sie einen kühlen Kopf bewahrt. Der Schwertmeister besah sich, wie die Wachen postiert waren, und nickte zufrieden. Die Krieger auf dem Achterdeck hatten altmodische Rüstungen mit Brustplatten aus polierter Bronze angelegt. Prächtige Federbüsche wehten von ihren silbernen Helmen. Sie trugen große, ovale Schilde, die mit wunderbaren Bildern bemalt waren. Auf den arglosen Betrachter wirkten sie nicht bedrohlich, sondern wie ein Teil einer großartigen Kulisse bei einem Fest, das so alt wie die Elfenvölker selbst war. Und doch mochten ihre Schilde binnen eines Herzschlags zu einer hölzernen Mauer werden, die sich zwischen die Königin und jeden Feind schob.
    Ollowain nickte knapp. »Gute Arbeit, Yilvina. Aber schick jemanden hinauf zum Vormast. Die Armbrustschützen dort sollen die Atem der See im Auge behalten. Vielleicht verbirgt sich auf einem ihrer Masten ein Bogenschütze.«
    »Ich werde mich persönlich darum kümmern.« Die Elfe machte auf dem Absatz kehrt und eilte zum Vordeck. Emerelle hatte mit der feierlichen Rede begonnen, mit der sie ihren Verzicht auf den Thron erklärte. Sie stand an der Brüstung des Achterdecks und blickte zu den Fürsten hinab.
    »… ein langer Mondzyklus ist verstrichen, und die Bürde der Macht ruht schwer auf meinen Schultern.« Der Königin gelang es, dass die altüberlieferten Floskeln aus ihrem Munde aufrichtig klangen. Doch Ollowain wusste genau, dass sie niemals auf ihre Herrschaft verzichten würde. Er ging zum Aufgang auf das Achterdeck. Es war besser, an Emerelles Seite zu bleiben, bis diese Nacht vorüber war.
    »Seht her, ohne Krone bin ich vor euch getreten. Nun sagt mir: Wer aus unserer Mitte soll künftig die Last der Herrschaft

Weitere Kostenlose Bücher