Elfenwinter
sich, sie hätten es getan. Alfadas wusste, dass sie jede Waffe im Kampf gegen die Trolle brauchen würden.
Selbst die Elfen mussten das begriffen haben, warum sonst nahmen sie die Hilfe von Menschen an?
DIE WOLFSGRUBE
Orgrim ging zwischen blühenden Sträuchern und Bäumen umher und schüttelte verständnislos den Kopf. »Nutzlos!«, sagte er verärgert, und Mandrag nickte zustimmend. Die große Haupthöhle der Wolfsgrube, ihrer einstigen Felsenburg, war in einen Blumengarten verwandelt. Obwohl es mitten im Winter war, schmückte sich die Natur mit überbordender Farbenpracht. Und es war unangenehm warm. Hier in dieser Höhle herrschte Frühling. Es war nicht richtig, den unabänderlichen Lauf der Jahreszeiten auf diese Weise zu verhöhnen. Gegen die Natur konnte man sich nicht auflehnen. Sie würde immer siegen. Wer klug war, lebte nach ihren Gesetzen. Jeder Troll wusste das!
»Nichts ist mehr so wie früher«, sagte Mandrag bitter. »Wie mag es erst in der Königsburg aussehen, wenn sie hier schon jede Ordnung der Dinge so verdreht haben!« Er löste seinen Streitkolben vom Gürtel und stapfte mit schweren Schritten hinüber zur Statue eines überheblich lächelnden Elfenfürsten. Ein wuchtiger Hieb zerschmetterte die Marmornase. Wieder und wieder hämmerte er mit der schweren Waffe auf den Stein und löschte die Gesichtszüge des Elfen aus, bis schließlich der Kopf der Statue wegbrach und in ein Rosenbeet rollte. Orgrim und sein Gefolge sahen dem Alten schweigend zu - der hünenhafte Gran, Birga, die Schamanin, und Boltan, der Geschützmeister. Sie alle konnten Mandrags Zorn nachfühlen. Mit dem Einzug in die Wolfsgrube war die Ernüchterung gekommen. Keine ihrer Felsenburgen würde noch so aussehen wie früher.
Die Elfen hatten alles verdorben! Sie hatten Jahrhunderte Zeit gehabt, jegliche Erinnerung an das Volk der Trolle auszulöschen, und zumindest hier in der Wolfsgrube hatten sie gründliche Arbeit geleistet. Die Wandgemälde aus Ruß und Blut waren verschwunden, ebenso die Runensteine und die kleinen Felsnischen, in denen man sich mit einem Weib vergnügen konnte, während die Alten beim Feuer saßen und redeten. Alles fort! Stattdessen gab es weite Höhlen mit Gärten, deren Decken in Zauberlicht erstrahlten, Paläste mit Zimmern über Zimmern und allerorten Wasser in Teichen, Becken und Brunnen.
Boltan hatte seine Wange an eine der großen Steinstelen gepresst, die überall im Blumengarten aufragten. »Darinnen fließt Wasser«, sagte er überrascht. Plötzlich erhellte ein strahlendes Lächeln sein Gesicht. »Sie nutzen die Geysire. Der Fels hier ist ganz warm. Deshalb konnten sie im Winter einen Frühlingsgarten erschaffen. Es ist keine Magie!«
Birga stampfte ärgerlich mit ihrem Knochenstab auf den Boden. »Red nicht über Dinge, von denen du nichts verstehst, Geschützmeister! Hier ist überall Magie. Jegliche natürliche Ordnung ist gestört. Sie haben allem hier ihren Willen aufgedrückt!« Die Schamanin zeigte zur Höhlendecke. »Was glaubst du, wie man Fels dazu bringt, taghell zu leuchten? Und wie haben sie all die Höhlen erschaffen? Magie, Magie, Magie!« Sie legte eine Hand auf die geschändete Statue. »Selbst hier fühle ich Magie. Sie haben den Stein weich gemacht, bis sie ihn mit bloßen Händen formen konnten, so wie man feuchten Lehm formt und in eine Gestalt zwingt. Das Land wird uns helfen, die Normirga zu vertreiben. Es ist der Elfen überdrüssig. Es wird sie abschütteln, wie ein Hund Flöhe abschüttelt.«
Orgrim war anderer Meinung, aber er hütete sich, Birga zu widersprechen. Der Rudelführer wusste, dass es klüger war, wenn man ein wenig nachhalf, die Normirga zu vertreiben. Sie hatten hier über Jahrhunderte gelebt, und das Land hatte sie geduldet. Warum sollte sich das jetzt plötzlich ändern?
Ihre Späher hatten die Wolfsgrube am Vortag verlassen vorgefunden. Kein Elf war in der Felsenfestung. Doch überall fand man Spuren, die auf einen überhasteten Aufbruch hinwiesen. Einen halbfertigen Wandteppich, der noch in den Webrahmen gespannt war. Frisch erlegtes Wild, das in den kühlen Höhlen nahe dem Eingang zur Wolfsgrube aufgehängt war, um auszubluten und gehäutet zu werden. All dies sprach eine deutliche Sprache. Die Normirga waren gewarnt. Man wusste, dass sie kamen. Dabei hatte Orgrim sich alle Mühe gegeben, ihren Anmarsch durch das Swelm-Tal in größter Heimlichkeit durchzuführen. Sie waren nur bei Nacht marschiert, wenn nicht einmal das Geisterlicht
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