Elfenwinter
Als sie dann doch sprach, tat sie es nur zögerlich und stockend. Sie schien jedes ihrer Worte sorgsam abzuwägen. Hatte sie Angst, die alten Schrecken lebendig werden zu lassen, indem sie darüber redete?
»Die Devanthar hassten jede Form der Ordnung. Wann immer etwas vollendet war, mussten sie es zerstören, um etwas Neues zu erschaffen. Ordnung war für sie der Stillstand aller Dinge. Besser kann ich es nicht erklären, denn das Volk der De-vanthar wurde vor sehr langer Zeit von den Alben vernichtet.
Die Alben waren es, die alle Welten und Völker erschufen, die wir heute kennen. Und um ihre Schöpfung zu schützen, mussten sie die Devanthar vernichten. So gewaltig war dieser Kampf, dass eine Welt dabei zerbrach. Der Anblick der Schrecken dieses Krieges verletzte viele der Alben zutiefst in ihrer Seele. Damals begannen sie Albenmark zu verlassen oder sich in die Einsamkeit zurückzuziehen. Sie suchten Orte wie das Albenhaupt, um für Jahrhunderte in Abgeschiedenheit zu meditieren.
Mit den Yingiz war es anders. Dies waren Geschöpfe aus reiner Boshaftigkeit, die sich allein am Leid anderer zu erfreuen vermochten. Sie wurden in die Dunkelheit zwischen den Welten vertrieben.«
»Das ist es!«, rief Gundar. Jetzt bekam ihr Feind endlich ein Gesicht. »So ein Geschöpf der Dunkelheit muss durch das Tor in unsere Welt geschlüpft sein!«
»Das ist ausgeschlossen!« Yilvina zerbrach den Stecken und warf ihn in die Glut. »Die Alben haben die Tore und auch die Pfade durch das Nichts mit starken Schutzzaubern umgeben. Noch nie ist ein Yingiz zurückgekehrt. Wir wissen nicht einmal mehr, wie sie ausgesehen haben. Es muss etwas anderes sein, was das Dorf belagert. Gibt es denn hier in der Anderen Welt keine Geister?«
Gundar nickte zögernd. »Doch. Auch wenn ich noch nie einen gesehen habe.«
»Etwas aus Fleisch und Blut hat Halgard jedenfalls nicht angegriffen. Davon hätte ich Spuren gefunden! Es muss ein Geist sein!«, beharrte die Elfe. »Glaube mir, ich bin eine erfahrene Jägerin.«
Ole wand sich stöhnend auf seinem Lager. Da war er wieder… Dieser Geruch, der Gestank eines offenen Grabes. Gundar nahm einen Tannenzweig und warf ihn ins Feuer. Knisternd verglühten die trockenen Nadeln. Weißer, angenehm duftender Rauch breitete sich aus.
Es war sinnlos, mit der Elfe zu reden. Sie würde niemals einsehen wollen, dass diese Morde vielleicht doch etwas mit ihr oder der Königin zu tun haben könnten.
Asla erhob sich und sah zu Gundar hinüber. Ein stummer Hilfeschrei lag in ihrem Blick. Sie sammelte die Leinenstreifen auf und ging hinüber zu Oles Lager.
Der Priester nahm die irdene Flasche auf dem Tisch und füllte sich einen Becher. Hastig stürzte er den Apfelschnaps herunter. Er brannte in der Kehle. Gundar traten Tränen in die Augen. Dann ging er hinüber zu Asla. Als sie die Decke vor der Bettnische zur Seite zog, wurde ihm übel. Durchdringender Verwesungsgeruch schlug ihnen entgegen.
Ole hatte die Augen weit aufgerissen, doch er erkannte sie nicht. Seine Augäpfel waren nach oben gerollt, sodass man nur noch das Weiße sah. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Asla tupfte ihrem Onkel mit einem Tuch über das welke Gesicht. Ole blinzelte dabei nicht einmal.
Dann schlug sie die Bettdecke zurück. Die Verbände an Oles Beinstümpfen waren mit bräunlichem Sekret durchtränkt. Asla nahm ein Messer und begann die Leinenstreifen zu zerschneiden. Sie packte mit spitzen Fingern zu und versuchte ihren Onkel so wenig wie möglich zu berühren.
»Blaue Funken…«, murmelte Ole und begann zu kichern.
»Ruhig, Onkel, ruhig.« Asla strich ihm über die Stirn.
»Die Götterpeitsche…« Der Hundezüchter stieß einen tiefen Seufzer aus. »Götter… «
Asla sah zu Gundar auf. »Jetzt.«
Der Priester lehnte sich vor und drückte Ole mit beiden Händen auf dessen Lager. Im selben Augenblick zog Asla die Verbände ab. Der Stoff klebte an den offenen Wunden. Ole schrie wie ein Tier und versuchte sich aufzubäumen. Dunkler Eiter troff aus dem fauligen Fleisch.
Gundar atmete nur noch flach durch den Mund. Der Gestank war atemberaubend. Er musste wegsehen und hatte Mühe, seine Übelkeit zu unterdrücken.
Asla arbeitete hastig. Sie wusch die Wunden mit Branntwein aus. Ihr Onkel lag jetzt ganz still. Er war ohnmächtig geworden. Wie dürre Äste ragten zwei Knochen aus dem zerfetzten Fleisch. Die Haut der Oberschenkel war unnatürlich weiß. Deutlich hoben sich die Adern ab, entzündete rote Linien, die
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