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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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allein sein. Er musste zu sich finden. Wie hatte er nur so lange brauchen können, um das eindeutige Zeichen zu erkennen! Alle Opfer außer Ole waren in unnatürlicher Geschwindigkeit gealtert. Der Priester dachte an Alfeid, die Wäscherin. Sie war eine junge Frau gewesen. Als man sie fand, war ihr Körper ausgezehrt wie der einer Greisin, die weit über ihre Zeit hinaus gelebt hatte. Und Halgard… Gundar mochte gar nicht an das arme Mädchen denken. Es war keine Gnade, dass sie noch lebte. Ein Kind im Leib einer alten Frau. Wie konnte Luth nur so grausam sein! Der Schicksalsweber hatte einen geisterhaften Henker geschickt, der die Schicksalsfäden seiner Opfer aufwickelte, sodass ihr Leben binnen Augenblicken verstrich. Diese Todesfälle sollten ein Zeichen sein!
    Gundar legte einen Schritt zu. Er hätte schneller begreifen müssen, was vor sich ging. Doch die Ereignisse der letzten Wochen hatten ihn blind gemacht. Zu viel war geschehen! Die Elfenkönigin, die Zuflucht suchte, Horsa, der König des Fjordlands, der gleich zweimal das Dorf besuchte. Der Zug durch das Elfentor. Das Heer.
    Ole, dieser Narr, hatte die Eisenmänner bestohlen und damit den Zorn Luths auf Firnstayn herabgerufen. Gundar dachte an seinen Abschied. Er hatte die Leute im Dorf beschworen, ihre Häuser nicht zu verlassen, und auf alle Türschwellen Schutzzeichen mit Ruß und Kreide gemalt. Luth konnte sie doch nicht alle bestrafen, nur weil einer von ihnen gefehlt hatte! Keuchend mühte sich Gundar den Pfad hinauf. Der Schnee knirschte leise unter seinen Schritten. Es war ein freundliches, beruhigendes Geräusch. Wasser drang durch die Nähte. Er hätte seine Stiefel besser einfetten müssen. Seine Füße waren schon ganz nass. Nicht mehr lange, dann würde der Wehrberghof kommen. Dort konnte er über Nacht bleiben. Morgen sollte er sich mit mehr Sorgfalt um seine Stiefel kümmern!
    Gundar blieb abrupt stehen. Hatte er da Schritte hinter sich gehört? Er drehte sich um. Das Schneetreiben war dichter geworden. Er sah nichts außer wirbelndem Weiß.
    Der Sturm löschte vor der Zeit das Tageslicht. Gundar fluchte. Wenn er vom Weg abkam oder am Hof vorbeilief, dann war er in ernsten Schwierigkeiten. Seine Füße würden in den nassen Stiefeln erfrieren. Er hätte Kalfs Hilfe annehmen sollen!
    Wieder blickte der Priester zurück. War da ein weißer Schemen? Gundar beschleunigte seine Schritte. Jemand starrte ihn an! Er spürte das ganz deutlich! Vorsichtig strich er mit der Hand über den Lederbeutel an seinem Gürtel. »Ich bringe dir zurück, was dir gehört, Luth«, flüsterte er. »Bitte gedulde dich noch einen Tag. Jeder im Dorf hat etwas Eisen gegeben, um dir zu opfern. Verzeih ihnen! Sie können nichts für Oles Taten.«
    Gundar musste an Halgard denken. Die Erinnerung machte ihn zornig. Wie hatte Luth so etwas tun können? Was hatte das blinde Mädchen mit Ole zu schaffen? Fast vierzig Jahre war Gundar seinem Gott ein treuer Diener gewesen, aber in der letzten Nacht waren ihm zum ersten Mal Zweifel gekommen. Ein Gott, der einen so blindwütigen Rächer schickte, das war nicht der Luth, von dessen Weisheit er in all den Jahrzehnten gepredigt hatte! In diesen Taten konnte der Priester kein sinnfälliges Muster erkennen. Sie waren einfach nur grausam. Schritte! Jetzt hatte Gundar sie ganz deutlich gehört. Was erwartete er auch? Er verdammte Luth, wenn auch nur im Geiste. Dem Schicksalsweber würde das nicht verborgen bleiben. Der Priester drehte sich um. »Schick ihn schon, deinen Mörder!«, rief er ins Schneegestöber. Er stemmte die Hände in die Hüften. »Komm schon, bring es zu Ende! Ich stehe hier und warte!«
    Was tat er da? War er denn wahnsinnig? »Lass mich das gestohlene Eisen zurückbringen«, sagte er in versöhnlicherem Ton. »Und dann nimm mich als Opfer. Ich bin es, der neben Ole Schuld auf sich geladen hat. Verschone mein Dorf.«
    Nicht weit entfernt wieherte ein Pferd. Der Wehrberghof. War er schon so nahe? Gundar ging weiter. War das ein Zeichen Luths? Wollte der Gott ihm den Weg zum Hof weisen? Gundar hielt sich ein wenig mehr nach links und schritt mit neuer Zuversicht aus.
    Schon nach einem kurzen Wegstück zeichnete sich der Schemen eines Hügels im Schneetreiben ab. Dem Priester war klar, dass er am Hügel vorbeigelaufen wäre, hätte er nicht die Richtung geändert, nachdem er das Wiehern gehört hatte. Der Wehrberg, auf dem Thorfinns Gehöft lag, war von drei Ringen aus halb verfallenen Erdwällen umgeben. Vor langer

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