Elfenwinter
Erwartungen. Die müde Ruhe seines Vaters reizte ihn bis aufs Blut. Wie konnte er nur dort sitzen, erschöpft, doch offensichtlich selbstzufrieden? Man musste Phylangan verlassen, solange noch Zeit dazu blieb! »Wann werden wir damit beginnen, die Truppen über den Himmelshafen auszuschiffen?«
»Du willst aufgeben?« Landoran blickte fassungslos zu ihm auf. »Die prächtigste aller Felsenburgen der Vernichtung überlassen? Zweimal schon waren wir in ähnlicher Lage und mussten gegen das Feuer ankämpfen. Wir haben es jedes Mal geschafft. Wir werden die Gefahr auch diesmal überstehen!«
»So wie jener Magier, der in Flammen aufging.«
»Man muss Opfer bringen«, entgegnete der Fürst kühl. »Das sollte dir als Krieger doch wohl nicht fremd sein. Oder hast du noch nie Truppen in einer Schlacht in den sicheren Tod geschickt, um dir Zeit zu erkaufen und letztlich einen glorreichen Sieg zu erringen?«
Ollowain fragte sich, wie viel sein Vater wohl über ihn wusste. Diese Frage war kein Zufall! »Zumindest würde ich einen solchen Sieg nicht glorreich nennen.«
»Erzähl mir nichts, Junge! Wenn du wirklich so denken würdest, dann hättest du dich niemals mit Leib und Seele der Kriegskunst verschrieben. Wer Heere in Schlachten führt, der weiß um den Preis des Sieges. Der Magier, der dort unten verbrannte, hieß Taenor. Er war nur mäßig begabt. Wie wir sehen konnten, ist er nicht ins Mondlicht gegangen. Er wird also wiedergeboren werden. Vielleicht in einen Leib, in dem er größere Kräfte entfalten kann. Was bedeutet solch ein Tod anderes als das Geschenk des Neuanfangs?«
»Und was geschieht mit den Kobolden, den Kentauren oder den Menschen? Sie alle dürfen nicht auf ein neues Leben hoffen. Sie sind dein Einsatz im Spiel mit dem Feuer. Wie kannst du das tun?«
Landoran lächelte verächtlich. »Ich habe niemanden gezwungen, hier für uns zu kämpfen. Sie sind gekommen, und ich nehme ihre Hilfe dankbar an. Ja, ich gestehe sogar, ich bin auf sie angewiesen, denn unser Volk hätte nicht die Kraft, gleichzeitig hier unten und auf den Mauern zu kämpfen.«
»Du musst ihnen die Wahrheit sagen!«, beharrte Ollowain.
»Warum? Sie können nichts an dem ändern, was hier unten geschieht. Wenn sie es wissen, dann schwächt es nur die Kampfkraft der Wankelmütigen. Ich verschweige es zu ihrem Schutz.«
»Dann muss es wenigstens der Kriegsrat wissen.«
»Eine Versammlung, in der dein Menschenfreund solche Gestalten wie den Kerl mit der halben Nase um sich geschart hat? Nein, Ollowain. Es ist schon schlimm genug, dass wir auf die Hilfe von Menschensöhnen angewiesen sind. Wir werden nicht auch noch unsere Geheimnisse mit ihnen teilen. Dieser Kerl -Lambi, nicht wahr -, er würde es seinen Kriegern sagen. Und dann wissen es binnen zwei Tagen alle, und eine Panik bricht aus. Verrate, was in der Halle des Feuers geschieht, und Phylangan wird fallen, noch bevor der erste Troll vor unseren Toren steht.«
Ollowain atmete schwer aus. Die Einwände seines Vaters waren nicht von der Hand zu weisen. »Es ist nicht richtig, seine Verbündeten zu belügen«, sagte er leise.
»Aber wir belügen doch niemanden.« Landoran hatte einen väterlich tröstenden Ton angeschlagen, als spräche er zu einem Kind. »Wir verschweigen etwas. Ja! Aber was ist schon dabei? Weißt du alles über die Krieger, die für dich kämpfen? Das ist die Bürde der Anführer. Wir sehen weiter als die meisten, die uns dienen. Wir haben ein tieferes Verständnis um die Welt, um alle Dinge, die um uns herum geschehen. Und um jene zu schützen, die wir führen, dürfen wir nicht all unser Wissen mit ihnen teilen. All seine Geheimnisse preisgeben, das tut im Übrigen niemand.«
Ollowain machte eine ärgerliche Geste. »Was scheren mich die Geheimnisse eines beliebigen Menschensohns? Sie bedrohen nicht mein Leben! Du kannst das nicht miteinander vergleichen!«
»Komm mir nicht mit diesem ritterlichen Unsinn!«, entgegne-te Landoran. »Abgesehen davon stimme ich dir sogar zu. Wir sollten die Menschen und uns nicht miteinander vergleichen. Sie werden uns niemals begreifen, Alfadas und seine Krieger. Versteh mich nicht falsch. Ich mache ihnen daraus keinen Vorwurf. Ich gehe sogar weiter. Es wäre mein Fehler, wenn ich von ihnen ein Verständnis verlangte, zu dem sie einfach nicht fähig sind. Also behellige ich sie gar nicht erst mit Einsichten, die ihnen im günstigsten Fall unheimlich wären. Ich weiß ja nicht einmal, wie ich dir, der du noch nie einen
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