Elfenwinter
für ein Geschenk deine Haut ist. Euch Elflein sieht man es nie an, ob ihr euer Alter nach Jahrzehnten oder nach Jahrhunderten zählt.« Sie seufzte. »Du wolltest mir vom Berghang erzählen?« Lyndwyn behauptete jetzt, durch einen Tunnel entkommen zu sein. Wie sonst hätte Ollowain mit ihr auf den Hang gelangen können?
Die Schamanin nickte zufrieden. »Lassen wir das! Sag mir, was für eine Art Zauberweberin du bist! Etwas mit dir ist doch anders.« Lyndwyn überlegte, ob sie wohl den Mut hätte, sich die Zunge abzubeißen. Sie durfte nicht vom Albenstein sprechen! Ganz gleich, was Birga ihr noch antat.
»Ich sehe schon, es wird wieder schwieriger.« Sie blickte zu dem Holzschild, auf dem die Haut des Fingers hing. Dann griff sie nach ihrer Maske. »Weißt du, dass dies hier aus der Gesichtshaut einer Hure gefertigt ist, die meinen König betrügen wollte? Sie war ein sehr hübsches Weib. Hübsch und dumm!« Wieder strich sie Lyndwyn durchs Gesicht. »Hübsch bist auch du. Bist du auch dumm?«
»Ich habe den Zauberwebern der Normirga geholfen, das Feuer unter dem Berg zu bändigen«, stieß Lyndwyn hervor.
Das Trollweib lachte. »Na, es war doch nicht schwer, mir das zu verraten. Nun sollst du auch ein Geheimnis von mir wissen.« Sie hob die Maske an, sodass Lyndwyn ihr Gesicht sehen konnte. Gnadenlos zeigte das graue Winterlicht eine konturlose Masse. Was die Zauberweberin sah, erinnerte an zerschmolzenes Wachs… Nein, eher noch an eine tropfende Kerze. Waren es Warzen? Fleischperle reihte sich an Fleischperle, überzogen von grauer Haut. Sie wucherten auf Augenlidern, ließen die Nase zu einem unförmigen Klumpen werden, ja selbst die Lippen waren ungleichmäßig. Die Fleischperlen überwucherten einander, sodass Teile des Gesichts dick aufgequollen waren. Manche schnürten sich ab und hingen nur noch an dünnen Hautfädchen. Birga strich Lyndwyn über die Wangen. »Du warst dein Leben lang schön. Du wirst nie ermessen, was das hier bedeutet.« Mit diesen Worten setzte sie wieder die Maske auf. »Und nun sprechen wir über deine Königin. Weißt du, wohin sie geflohen ist?«
»Ich bin keine Normirga!«, entgegnete die Elfe ausweichend.
»Ah, ich sehe, wir nähern uns verborgenen Wahrheiten.« Bir-ga hob ihr Messer und zerschnitt Lyndwyns Kleid vom Halssaum bis zum Gürtel. Sorgfältig streifte sie den Stoff zurück. »Du hast etwas Sprödes, meine Hübsche. Mag sein, dass du noch nicht oft bei den Männern gelegen hast. Da hätten wir etwas gemeinsam.« Sie prüfte mit den Fingern das weiche Fleisch ihrer Brüste, strich über den Rippenbogen, hinab zum Bauchnabel. »Deinen Finger wirst du leicht verbergen können, Lyndwyn. Vielleicht macht es dich gerade interessant, wenn du immer einen Handschuh trägst. Was glaubst du, was du noch vor den Blicken der Männer verbergen magst? Oder möchtest du mir jetzt etwas von der Königin erzählen?«
Lyndwyn stand kalter Schweiß auf dem Gesicht. »Ich bin keine Normirga«, wiederholte sie.
»Nun, das hatten wir schon.«
Birga hob ihr Messer.
WIE EINE GESCHICHTE AUS KINDERTAGEN
Asla blickte in Isleifs frostrotes Gesicht. Er hatte Fieber, und sein Atem stank nach Branntwein. Am Ende seiner Kräfte, hatte man ihn vor dem Tor in der Palisade gefunden, die Fimstayn schützte.
Das Tor wurde jeden Tag bei Sonnenuntergang geschlossen. Doch am frühen Abend schon hatte man die Rauchsäule weit im Norden gesehen. So kam es, dass ein Posten am Tor gewacht hatte.
Isleif war völlig durchgefroren und am Ende seiner Kräfte gewesen, als man ihn hereingeholt hatte. Er hatte unzusammenhängend von Ungeheuern aus den Bergen geredet. Jetzt kauerte er in Decken gehüllt bei Asla an der Feuergrube. Ihr Haus war das größte im Dorf, deshalb hatte man ihn hinaufgebracht. Fast alle Einwohner drängten sich in der Halle.
»Es sind Riesen… größer als Höhlenbären…«, stammelte der Einödbauer. »Sie haben mir den Hof angezündet.« Er blickte zu Asla. »Hast du noch was zu trinken? Du weißt schon… was die Seele wärmt.«
»Der ist doch betrunken«, raunte jemand hinter Asla. »Jeder weiß, dass er säuft wie ein Loch. Wahrscheinlich hat er eine Kerze umgeworfen und seinen Hof selbst abgebrannt. Und jetzt erzählt er Geschichten.«
»Was ich gesehen hab, das hab ich gesehen!« Taumelnd richtete sich Isleif auf. »Groß wie Höhlenbären sind sie!«
»Vielleicht ist ja tatsächlich ein Höhlenbär von den Bergen heruntergekommen?«, sagte Kaff. »Manchmal erwachen sie
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