Elfenwinter
geschehen ist. Und sollte uns Gefahr drohen, dann entzündet er das Signalfeuer auf dem Hartungskliff. Ich kann euch nicht befehlen, nur raten. Und ich nehme es auf mich, dass ich von dieser Nacht an für alle Zeiten als ein verrücktes Weib gelten werde… Aber ich rate euch, bereitet alles für eine schnelle Flucht vor. Ich jedenfalls werde den schweren Schlitten anschirren. Lieber habe ich eine unruhige Nacht und lasse mich anschließend verspotten, als dass ich ein Feuer auf dem Kliff sehe und nicht bereit bin.«
»Ich bin ihrer Meinung«, sagte Kaff.
Asla hätte ihn umarmen können für seine Worte. Jetzt nickte auch Svenja. Die Stimmung schlug langsam um. »Na schön, sei-en wir bereit«, murmelte Iwein. »Packen wir ein paar Vorräte zusammen und fetten wir unsere Stiefel.«
»Damit ist es nicht getan. Deine Söhne sind längst Männer, Iwein. Du hast leicht reden. Aber für meine Kadlin brauche ich einen warmen Platz. Ich muss ihre Windeln wechseln können. Draußen auf dem zugefrorenen Fjord wäre eine nasse Windel ihr Tod.«
Der Viehzüchter schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Bist du jetzt vollkommen närrisch, Weib? Willst du vielleicht dein Langhaus auf Kufen setzen? Wie stellst du dir das vor, einen warmen Platz zu haben?« Sie klopfte mit dem Knöchel auf die aufgebockte Tischplatte. »Ganz so, wie du es sagst, Iwein. Ich dachte an eine Hütte auf Kufen. Statt eine Plane über die Pritsche meines Fuhrwerks zu spannen, die nur den Wind abhält, aber nicht vor der Kälte schützt, zimmern wir einen Aufbau aus Tischplatten, Brettern, Türen. Und wir stellen eine Feuerschale hinein. So bekommen wir einen warmen Platz für die Kinder, für die Alten und die Erschöpften.«
Iwein schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht in deiner Haut stecken, wenn dein Mann sieht, was du mit der schönen Kutsche angestellt hast. All diese Aufregung wegen eines Betrunkenen… Wir schlagen uns die Nacht um die Ohren, und morgen zeigt sich, dass deine Trolle nur dem Rausch eines einsamen Mannes entsprungen sind. Du wirst es sehen, Asla.«
DIE ALFADASSTIEGE
Das Signalfeuer brannte lichterloh! Weit in den Himmel schlugen die Flammen. Kalf konnte beobachten, wie im fernen Dorf die große Kutsche aufs Eis des Fjords gebracht wurde. Dann folgten ihr winzige Gestalten. Holzschlitten, von Hand gezogen, und eine Herde Schafe, dicht zusammengedrängt, verschmolzen fast mit dem Weiß der Winterlandschaft.
Gut, dass Asla ihn auf den Weg zum Isleifshof geschickt hatte, dachte Kaff. Er war den Trollen im Wald begegnet. Raue Stimmen und ein kehliges Lachen hatten den Fischer zeitig genug gewarnt. So hatte er ein Versteck in einem Brombeerdickicht gefunden. Zwischen den schneebedeckten Ranken hindurch hatte er sie beobachtet. Riesig waren sie! Drei Schritt und mehr maßen sie vom Scheitel bis zur Sohle. Die meisten von ihnen waren trotz der Kälte fast nackt. Sie hatten Felle um ihre Lenden gewickelt. Einer trug den Kadaver von Isleifs Hund über der Schulter. Ihre Waffen verrieten, dass sie keine Jagdgesellschaft waren; kaum einer trug einen Bogen oder Speer. Sie waren mit Äxten und breiten Steindolchen bewaffnet. So kamen Plünderer daher! Einer der Trolle, ein besonders großer Kerl, der seinen feisten Wanst mit blutigen Handabdrücken geschmückt hatte, kam so nah an Kalfs Versteck vorbei, dass der Fischer ihn mit ausgestrecktem Arm hätte berühren können. Kalf dankte Luth in stummem Gebet, dass die Trolle nicht auch noch Hunde mitgebracht hatten. So blieb er unbemerkt.
Die Kriegerbande folgte Isleifs Spur durch den Schnee. So würden sie geradewegs nach Firnstayn gelangen. Kalf wünschte, sie hätten den alten Säufer in seinem Bett überrascht! Vielleicht hätten sie das Dorf dann nicht gefunden.
Aslas großer Schlitten war jetzt schon fast eine halbe Meile auf den Fjord hinausgefahren. Noch kamen letzte Nachzügler aus dem Dorf. Ob sich wohl jemand geweigert hatte, in dieser eisigen Nacht nur wegen einer Geschichte und eines Feuers seine Hütte zu verlassen? Kalf hoffte es nicht. Nachdem er die Trolle gesehen hatte, gab es für ihn keinen Zweifel mehr an all den schrecklichen Geschichten, die man sich über sie erzählte. So sahen Menschenfresser aus!
Ein letztes Mal streckte der Fischer seine Hände den Flammen entgegen, dann zog er wieder die dicken, pelzgefütterten Fäustlinge an. Er vermied es, den Steinkreis zu durchqueren, der die steile Klippe krönte. Über den Ziegenpfad, der seitlich vorbeiführte,
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