Elfenwinter
rudernd, stolperte sie dahin, stürzte und wälzte sich schreiend im brackigen Wasser. Ollowain erkannte den Troll an seiner Größe, doch der Körper des Hünen hatte alle Konturen verloren. Tausende von Bienen hatten sich auf ihm niedergelassen und verwandelten ihn in eine formlose, zuckende Masse. Die Luft war erfüllt vom Summen, laut wie das Donnern der Hufe bei einer Reiterattacke.
Ollowain versuchte wie versteinert zu stehen. Einzelne Bienen ließen sich auf ihm nieder. Die Gärtnerbienen waren ungewöhnlich groß. Fast so lang wie die oberen beiden Glieder seines kleinen Fingers. Ihre Bewegungen kitzelten unangenehm. Der Schwertmeister spürte, wie sich ein dicker Schweißtropfen auf seiner Stirn bildete. Jetzt waren auch überall auf Emerelles Decke Bienen. Gondoran starrte ihn vom Heck her an. Auf der Nasenspitze des Holden turnte eine große Biene, doch er schien sie kaum zu bemerken. In den Augen des Bootsmeisters lag ein stummes Flehen, sich nur nicht zu bewegen.
Der Troll hatte sich auf eine flache Bank aus schwarzem Schlick geschleppt. Er hielt beide Hände auf die Kehle gepresst, so als versuche er, den Würgegriff eines unsichtbaren Gegners zu überwinden.
Aus den Augenwinkeln sah Ollowain, wie einer der Kentauren von Bienen überfallen wurde. Wild mit dem Schwanz peitschend bäumte er sich auf. Orimedes eilte seinem Gefährten zu Hilfe, nur um ebenfalls unter der Stacheldecke zu verschwinden.
Ollowain biss die Zähne zusammen. Jetzt waren Bienen auf seinem Gesicht. Ihre kleinen Beine tasteten über seine verbrannte Haut. Sogar die Fackel am Schiffsmast griffen sie an. Zu Dutzenden verbrannten sich die Gärtnerbienen die Flügel. Die meisten prasselten auf Lyndwyn hinab, die noch immer beim Mast lag. Die Magierin blinzelte. Einen Moment schlug sie die Augen auf und sah zu Ollowain. Sie wirkte keineswegs wie jemand, der aus tiefem Schlaf erwachte und nicht wusste, was um ihn herum geschah. Sie lächelte fast kokett. Dann schloss sie die Augen wieder. Die Bienen, die sich auf ihr niedergelassen hatten, flogen auf, und keine kam ihr mehr nahe.
Der Schweißtropfen perlte von Ollowains Stirn. Sengender Schmerz durchbohrte sein Kinn. Eines der Mistviecher hatte ihn gestochen. Tränen schossen ihm in die Augen und rannen ihm über die Wangen. Der Tonfall, in dem die Bienen unmittelbar um ihn herum summten, änderte sich. Er wurde dunkler. Bedrohlicher!
Immer mehr Bienen ließen sich auf ihm nieder. Besonders auf seinem Gesicht. Seine Wangen prickelten. Er wurde wieder und wieder gestochen. In die Augenwinkel, in den Hals. Ollowain zitterte vor Anspannung. Das Summen klang lauter. Sie waren jetzt auch in den Ohren. Dann spürte er, wie sich eine Biene in seine Nase schob. Ihre Fühler tasteten über die feinen Härchen.
Kleine Beine krabbelten ihm über die Lippen. Die Bienen versuchten, sich in seinen Mund zu schieben. Denk an etwas anderes, befahl er sich. Er wollte sich an Nomja erinnern. Mehr als hundert Jahre waren vergangen, seit sie zur Wache der Königin gekommen war. Er hatte sie vom ersten Augenblick an geliebt.
Und doch hatte er es nie gewagt, ihr seine Gefühle einzugestehen. Sie war lange tot, begraben in einer fremden Welt. Er wollte ihr Gesicht wieder erstehen lassen. Die feinen ebenmäßigen Züge… Etwas krabbelte über sein Auge! Ollowain zuckte zusammen. Eine Biene stach ihm ins Augenlied. Nomja! Denk an sie… Er wurde wahnsinnig. Er hielt das nicht länger aus. Die tausend tastenden Beine auf seinem Gesicht, überall auf seinem Körper. Er kniff die Augenlider zusammen und wurde sofort mit weiteren Stichen bestraft.
Gellende Schreie drangen durch das Summen. Das Sterben hatte begonnen. Hätten sie doch nie die Bienen gerufen! Er spürte sein linkes Augenlied zuschwellen. Das Gift der Bienen juckte und brannte. Sich zu kratzen wäre eine Erlösung. Oder ins Wasser zu stürzen.
Denk an Nomja! Welche Farbe hatten ihre Augen? Er versuchte sich ihr Gesicht vorzustellen. Ihr feines Haar. Die großen Augen. Große Facettenaugen. Er sah eine Biene! Mit pelzigem, graubraunem Leib. Die großen Augen musterten ihn ausdruckslos, während die Fühler aufgeregt zuckten.
Die Biene drängte immer tiefer in seine Nase. Und dann spürte er tastende Beine in seiner Kehle! Er schrie auf. Sofort waren sie in seinem Mund. Stacheln bohrten sich in seine Zunge. Etwas kroch über seinen Gaumen. Er zermalmte Bienen mit den Zähnen.
Schützend presste er die Hand auf den Mund. Seine Zunge schwoll an.
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