Elfenwinter
Elfe, die ihn abgeholt hatte, ließ sich nichts anmerken, als er sich in die Hose machte. Aber der kleine Kerl grinste ihn böse an, als er den Fleck sah.
Oles Hütte lag fast eine Meile von Firnstayn entfernt. Sie stand hoch am Ufer, und man hatte von dort einen guten Blick hinüber zum Dorf. Die Elfe deutete auf die kleine Siedlung und wiederholte noch einmal ihre Frage nach dem Haus des Jarls.
Ole zeigte auf den lang gestreckten Holzbau am Dorfrand. Daraufhin stieß der Kerl mit dem Pfeil im Hals ein Röcheln aus und deutete in weitem Bogen um das Dorf herum. Offenbar wollte er so wenig Aufsehen wie möglich erregen. Ole hoffte, dass der Wachturm besetzt war. Doch er wusste nur zu gut, wie selten man diese Pflicht noch ernst nahm. Seit vielen Jahren waren keine Feinde mehr in der Gegend gewesen. Die kleine Gruppe machte sich auf den Weg. »Man wird dir sicher helfen«, erklärte die Elfe, die ihn stützte.
»Mir geht es gut«, beteuerte er. »Ich kann selbst nach mir sehen. Ihr braucht euch keine Mühe mit mir zu geben.«
Die Jägerin sah ihn zweifelnd an und sagte dann etwas zu dem Mann mit dem Pfeil im Hals. An seiner Stelle antwortete der kleine Kerl. Es klang irgendwie abfällig. Der Pferdemann lachte.
»Meine Gefährten sind der Meinung, dass du nicht schwer krank bist und wir dich wirklich zurücklassen können. Ich möchte mich im Namen aller entschuldigen, falls wir dich erschreckt haben sollten.« Sie half ihm, sich auf einem Stein am Wegesrand niederzusetzen. Dann zog die kleine Gruppe weiter.
Bald verließen sie den Pfad zum Dorf und suchten Deckung im Dickicht des Waldrandes. Dort verlor auch Ole sie schnell aus dem Blick.
Der Hundezüchter sah zum Hartungskliff hinüber. Der Berg sah aus wie immer. Er hatte erwartet, oben zwischen den stehenden Steinen Banner wehen zu sehen oder noch weitere Elfen zu erblicken. Doch da war nichts. »Dank dir, Luth«, murmelte Ole leise. Er würde hinauf in die Berge steigen und den Eisenbärten ein Opfer bringen. Der Schicksalsweber hatte sich gnädig gezeigt.
Bevor er seine Pilgerreise antrat, sollte er dringend die Einwohner Firnstayns warnen. Sie mussten wissen, was für eine Brut dort gekommen war, um sich unter dem Dach des Jarls zu verbergen. Pferdemänner, Elfen und Kobolde! Er hatte schon immer gewusst, dass nichts Gutes dabei herauskommen konnte, dieses Halbblut Alfadas ins Dorf aufzunehmen. Die Freunde von ihm würden Ärger machen! Sie rochen förmlich danach! Zuallererst aber sollte er seine Hose wechseln.
DAS RITUAL
Das Abendrot färbte das Wasser des Hafens rot wie frisch vergossenes Blut. Schwarz zeichneten sich die ausgebrannten Wracks der Elfenschiffe gegen die Fluten ab. Es wimmelte nur so von Haien im Hafenbecken. Gierig stritten sie um das Aas. Es war drückend schwül, und unerträglicher Verwesungsgeruch trieb über dem Wasser. Orgrim rann der Schweiß in breiten Bahnen über den nackten Oberkörper. Mit gemischten Gefühlen blickte er zurück zur Stadt. Er hatte seine Waffen und seine wenigen Habseligkeiten zurückgelassen. Hoffentlich kümmerte sich Boltan darum. Als Orgrim vor weniger als einer halben Stunde in den Hafen gekommen war, hatte ihm Skanga befohlen, an Bord ihres Schiffes, der Geisterwind, zu gehen. Es war keine Zeit mehr geblieben, in die Stadt zurückzukehren und seine Sachen zu holen.
Steuerbord schäumte das Wasser auf. Riesige Kiefer stießen aus der See und zerteilten eine der treibenden Leichen mit einem einzigen Biss. Ein abgetrennter Arm drehte sich träge in der roten Flut. Es schien, als winke er Orgrim einen Abschiedsgruß zu, dann versank er.
Mit einem mulmigen Gefühl wandte der Troll den Blick ab. Skanga hatte nicht gesagt, was sie von ihm wollte oder wohin die Fahrt gehen sollte. Das große Schiff glitt zwischen den in fahlem Weiß leuchtenden Türmen an der Hafeneinfahrt hindurch. Die See lag spiegelglatt vor ihnen. Obwohl sich nicht das geringste Lüftchen regte, knarrten die Segel der Geisterwind und blähten sich. Orgrim hatte schon viele Geschichten über das Schiff der Schamanin gehört. Hätte er gewusst, dass sie ihn nicht in ihrem Zelt empfangen wollte, sondern an Bord dieses verfluchten Schiffes befehlen würde, dann wäre er erst gar nicht gekommen.
Skanga stand auf dem Achterdeck. Sie hatte eine Hand feierlich auf ihr Herz gelegt und blickte nach Osten.
Wie in feierlicher Prozession strebten dreieckige Haifischfinnen dem Hafen entgegen. Es mussten hunderte sein. Für den Augenblick
Weitere Kostenlose Bücher