Elfenzorn
ungefähr ...« Sie tat so, als müsste sie einen Moment angestrengt überlegen. »... viereinhalb Jahre sein. Vielleicht auch fünf.«
»Fünf Jahre?«
»Ungefähr«, bestätigte Alica. »Aber wenn du mir die Bemerkung gestattest: Du siehst allerhöchstens drei Tage älter aus als das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben.«
»Vier«, verbesserte sie Pia, blieb aber trotzdem ernst. »Dann hat el Comandante gelogen, als er behauptet hat, dass für ihn innerhalb einer einzigen Nacht –«
»– zwölf Jahre vergangen sind?«, unterbrach sie Alica und schüttelte zugleich so heftig den Kopf, dass ihre schwarzen Engelslocken flogen. »Wahrscheinlich nicht. Also davon abgesehen, dass ich Nandes nicht einmal dann glauben würde, wenn er mir einen guten Tag wünscht, sagt er in diesem Fall wohl die Wahrheit. Er ist mindestens zehn Jahre vor uns hier angekommen.«
»Aber ich war viel länger weg«, sagte Pia nachdenklich. »Wenn das stimmt, müssten hier ... was weiß ich? Vierzig Jahre vergangen sein? Oder fünfzig?«
»Und jetzt bist du enttäuscht, dass ich keine runzlige alte Frau geworden bin, die mit dir über den Sinn des Lebens und die ultimaten Weisheiten des Universums diskutiert?« Alica zog eine Grimasse. »Ich hoffe doch, du bist jetzt nicht zu enttäuscht.«
»Nein«, antwortete Pia. »Nur verwirrt.«
»Glaub mir, Piaschätzchen, das bin ich auch«, seufzte Alica. »Das alles ist wirklich sehr verwirrend. Ich verstehe es nicht, und wenn ich ehrlich sein soll, dann habe ich schon vor ziemlich langer Zeit aufgehört, es überhaupt verstehen zu wollen. Die Zeitläuft hier …«, wieder suchte sie nach Worten, und diesmal war Pia ziemlich sicher, dass es nicht gespielt war, »… irgendwie anders als bei uns. Wahrscheinlich nicht mal irgendwie, sondern ziemlich drastisch. Frag mich nicht, wie, aber man kann es nicht einfach umrechnen, so nach dem Motto eine Stunde hier gleich sechs Monate bei euch.«
Bei euch? Pia blinzelte. Irritiert.
»Manchmal vergeht bei euch ein Augenblick und hier sehr viel Zeit, und manchmal scheint es genau andersherum zu sein … oder auch ganz anders. Das ist so ziemlich alles, was ich herausgefunden habe.« Sie unterbrach sich für einen Moment, und ihr Blick tastete für dieselbe Zeitspanne über Pias Gesicht und dann über ihre Gestalt. Sie sah irgendwie … nachdenklich aus, fand Pia.
»Es ist kompliziert«, schloss Alica.
Ja, das schien Pia auch so. Sie beschloss, das Thema zu wechseln.
»Und was ist hier passiert, in diesen ... drei Tagen?«, fragte sie.
»Eine Menge«, antwortete Alica. »Aber das gilt nicht. Ich habe zuerst gefragt.«
»Hast du nicht.«
»Nein«, gestand Alica. »Habe ich nicht. Aber erstens wollte ich es, und zweitens ist es einfacher, wenn du anfängst. Auf jeden Fall geht es schneller.« Sie grinste flüchtig. »Das meiste weiß ich ja schon von Jesus.«
»Er ist am Leben?«, fragte Pia. Ihr Herz begann zu klopfen.
»Am Leben und gesund«, bestätigte Alica. »Keine Bange. Und er redet wie ein Wasserfall. Was hast du mit ihm gemacht? Früher hat er doch kaum die Zähne auseinandergekriegt.«
Sie wollte gar keine Antwort auf ihre Frage, wie sie mit einem unwilligen Wedeln der Hand klarmachte, und Pia resignierte innerlich und erzählte ihr, was in den zurückliegenden drei Tagen und viereinhalb Jahren geschehen war. Ein paar unwesentliche Kleinigkeiten ließ sie weg. Den Sith zum Beispiel. Oder dieunheimliche Kraft, mit der sie Jesus von den Toten zurückgeholt hatte.
Ach ja, und das kleine Kästchen aus Estebans Schreibtisch samt seinem Inhalt.
»Onkel José«, seufzte Alica, als sie zu Ende erzählt hatte. »Ja, das passt zu ihm. Schade, dass ich sein Gesicht nicht gesehen habe, als er kapiert hat, wer du wirklich bist ...«
»Schön, dass wenigstens er es kapiert hat«, sagte Pia. »Ich selbst weiß es nämlich nicht.«
Alica zog es vor, diese Bemerkung nicht zu hören.
»Dann bedank dich bei Kronn oder jedem beliebigen anderen Gott, an den du glaubst, dass Graukeils Leute uns Bescheid gesagt haben«, sagte sie.
»Graukeil?«
Der Zwerg verdrehte sich fast den Hals, um sie triumphierend anzugrinsen, und Pia verpasste ihm rein prophylaktisch eine weitere (sachte) Kopfnuss.
»Die Zwerge sind unsere besten Spione«, bestätigte Alica. »Das kleine Volk hat eine Menge verborgener Talente.«
Für einen kurzen Moment war Pia nun wirklich sprachlos. »Spi...one?«, wiederholte sie lahm. Gamma Graukeil grinste gehässig.
»Ein
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