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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einem der seltsamen Gebäude und zur Rechten in einem weiteren Tunnel im Berg verschwanden.
    Sie erwog nicht einmal den Gedanken, den Tunnel zu betreten, sondern folgte den Schienen in die andere Richtung, wobei sie der aus groben Balken noch grober zusammengezimmerten Hütte in respektvollem Abstand auswich. Die Schienen endeten nur ein kleines Stück dahinter, und ihre letzten drei oder vier Meter verschwanden unter einer kastenförmigen Konstruktion aus Holz, die auf vier lächerlich kleinen Rädern ruhte: Die Ork-Version einer Lore, wie sie nach einem Augenblick begriff.
    Dann verstand sie auch, was sie hier wirklich gefunden hatte. Es war eine Mine, nichts anderes als ein Bergwerk, in dem Orks und Menschen schufteten, um irgendwelche Erze abzubauen. Sie war beinahe enttäuscht, auch wenn das eigentlich albern war. Was hatte sie denn erwartet? Irgendetwas Geheimnisvolles und Magisches, das sich an diesem Ort dicht unter den Wolken verbarg? Sie trat näher an die zu groß geratene Lore heran und versuchte hineinzusehen, was ihr aber nicht gelang; es war eben die Ork-Version einer Lore, was bedeutete, dass ihre Wände doppelt so hoch wie normal waren. Sie konnte nicht einmal hineinsehen, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte.
    Es war auch gar nicht nötig. Der Boden war ringsum übersät mit kleinen und großen Erzbrocken. Pia wählte einen davon aus, der bequem in ihre Jackentasche passte, steckte ihn ein und machte sich auf den Rückweg.
    Sie wählte die gleiche Route, die sie gekommen war, überwand sogar ohne größere Schwierigkeit die beiden Steilhänge und nahm nun sogar Rücksicht auf ihre Stiefel, indem sie scharfkantigen Steinen auswich und die Füße nur sehr vorsichtig aufsetzte.Sie nahm aber einen Umweg in Kauf, um sich den mumifizierten Ork noch einmal anzusehen. So viel Überwindung es sie auch kostete, gelang es ihr trotzdem, den ausgetrockneten Leichnam herumzudrehen und aus seinen nicht minder vertrockneten Kleidern zu schälen.
    Es blieb dabei: Der Leichnam war verschrumpelt und ausgetrocknet und wog kaum noch mehr als ein normaler Mensch, aber abgesehen davon und einer ansehnlichen Sammlung alter Narben wies der Ork keinerlei Verletzung auf. Der Anblick war verwirrend, zugleich aber auch auf eine so morbide Art faszinierend, dass sie eine ganze Weile einfach weiter dahockte, das tote Monster anstarrte und nicht einmal den gewaltigen Schatten bemerkte, der vom Himmel herabsank und auf einem Felsen neben ihr landete.
    Was sie schließlich doch aufblicken ließ, war das Gefühl, angestarrt zu werden.
    Es war nicht nur ein Gefühl. Als sie den Kopf in den Nacken legte und nach oben sah, blickte sie in das zugleich hässlichste wie heimtückischste Augenpaar, das sie jemals gesehen hatte ... was in diesem Moment aber kaum auffiel, denn es passte durchaus zu dem Gesicht, in das es eingebettet war.
    Vielleicht für eine Mikrosekunde, allenfalls so lange, wie der Gedanke brauchte, um hinter ihrer Stirn zu entstehen und wieder zu verschwinden, fragte sie sich, ob sie einem Vogel gegenüberstand. Tatsächlich war das Ding so groß wie ein (sehr großer) Rabe, hatte Flügel und war schwarz, aber damit hörte die Ähnlichkeit dann auch schon auf. Seine Flügel hatten keine Federn, sondern erinnerten mehr an einen schwarzen Ledermantel, der seine besten Tage schon lange hinter sich hatte und in Fetzen herabhing, und beim Anblick der dreizehigen Klauen hätte es sich selbst ein Ork zweimal überlegt, Streit mit ihm anzufangen. Das Ding hatte einen dürren, schuppigen Körper, einen sehr langen Schwanz (der – natürlich – in einer dreieckigen Quaste endete) und einen dürren Hals mit einem grotesk großen Adamsapfel, der ständig auf und ab hüpfte, als hätte er etwas Lebendigesverschluckt, das nun zu entkommen versuchte, und sein von spitzen Ohren eingerahmtes Gesicht war der schiere Albtraum. Es erinnerte ein wenig an das einer Fledermaus, die am Abend zuvor etwas wirklich Schlechtes gegessen hatte, schien aber vornehmlich aus Falten, Pusteln, Runzeln und Zähnen zu bestehen; sehr vielen Zähnen.
    Das Ding starrte sie an, und Pia starrte das Ding an, und erst dann erinnerte sie sich, dass sie noch immer in einen Mantel aus schützenden Schatten gehüllt war.
    »Du kannst mich nicht sehen«, sagte sie.
    Die Fetzenfledermaus war offensichtlich anderer Meinung, denn sie gab ein halblautes Piepsen von sich, das hoch und schrill genug war, dass ihre Zähne davon schmerzten, legte den Kopf auf die Seite

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