Elfenzorn
dem ein zweiter und im Vergleich zu ihm sehr viel kleinerer Umriss aus dem Berg trat.
Erst als das Knallen zum dritten Mal erklang und sie die dazugehörige Bewegung sah, gestattete sich Pia endlich, das Geräusch zu erkennen. Es war das Knallen einer Peitsche, mit derder Barbar den Ork vor sich hertrieb. Ein Ork, der sich von einem Barbaren auspeitschen ließ?
Nun, das war bemerkenswert.
Und ein bisschen beunruhigend.
Immerhin beunruhigend genug, um sie noch einmal mit dem Gedanken spielen zu lassen, die lautlose Warnung ihrer inneren Stimme zu ignorieren und weiterzugehen, um das Geheimnis dieses Tunnels zu ergründen – allerdings nur so lange, bis sich die unheimliche Szene wiederholte. Diesmal waren es gleich zwei Orks, die ihr mit hängenden Schultern und unendlich müde entgegengeschlurft kamen. Auch hinter ihnen trottete eine struppige Gestalt her, die eine aufgerollte Peitsche in der Hand hielt, und beim zweiten Hinsehen bemerkte sie, dass die Schuppenkrieger keine Waffen in den Händen hielten, wie sie ganz automatisch angenommen hatte, sondern grobe Werkzeuge: der eine die XXL-Version einer Spitzhacke, deren Stiel allein länger war als sie selbst, der andere eine nicht minder gewaltige Schaufel.
Pia rang ein letztes Mal mit sich. Der Tunnel war nicht nur vollkommen dunkel, sondern auch so schmal, dass die beiden nebeneinandergehenden Orks ihn nahezu ausgefüllt hatten. Unsichtbar zu sein würde ihr nichts nutzen, wenn ihr ein weiterer dieser grünen Kolosse entgegenkam und sie einfach niedertrampelte.
So nahe, wie sie es gerade noch wagte, folgte sie den beiden Orks und ihrem Begleiter bis ans andere Ende des Tals. Der enge Einschnitt im Berg machte dort einen scharfen Knick, und als Pia ihm folgte, wurde ihr Wagemut belohnt, denn sie sah endlich, warum der Pegasus sie hierhergebracht hatte.
Das schmale Tal weitete sich zu einem sehr viel größeren und nahezu perfekt gerundeten Kessel, in dem es von Orks und Menschen nur so wimmelte. Dutzende Feuer sorgten für eine unheimliche düster-rote Beleuchtung, in der nicht nur zahllose hin und her hastende Gestalten zu sehen waren, sondern auch eine Anzahl großer, aber sonderbar gedrungen wirkender Gebäude, die sich an die Wände des Talkessels lehnten. Überall wurdegearbeitet, auch wenn Pia auf den ersten Blick nicht sagen konnte, was eigentlich. Es wurde gehämmert, getragen und gerufen, Dinge wurden hin- und hergeschleppt und Befehle gebellt, und ein paarmal hörte sie auch wieder das Knallen einer Peitsche. Es war ein einziges gewaltiges Wuseln und Huschen, das überhaupt keinen Sinn zu ergeben schien, ihr im roten Licht der unzähligen Feuer aber wie eine Vision der Hölle vorkam. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, und der saure Geschmack von Angst breitete sich auf ihrer Zunge aus.
Irgendetwas am Himmel erregte ihre Aufmerksamkeit. Pia sah hin und zog verwirrt die Stirn kraus, als sie sah, dass die Sterne ihr zublinzelten.
Natürlich taten sie es nicht wirklich. Doch es sah so aus, weil sich ein Schatten davor bewegte und sie verdeckte. Es war zu dunkel, um mehr als diesen Schatten zu erkennen, aber Pia hatte einen flüchtigen Eindruck von großen, schlagenden Flügeln und etwas Schlängelndem. Dann war der Schatten verschwunden, und Pia war nicht einmal mehr ganz sicher, ob sie sich ihn nicht nur eingebildet hatte. Ihre Nerven schleiften am Fußboden, und das mit Recht. Der Umstand allein, dass niemand sie sah, bedeutete nicht, dass sie nicht in Gefahr war.
Ihre Vernunft meldete sich (resignierend) noch einmal zu Wort und riet ihr, von hier zu verschwinden, solange sie es noch konnte. Sie versprach sich selbst, zu gegebener Zeit auf diesen gut gemeinten Rat zu hören, und versuchte die beiden Orks wiederzufinden, denen sie hierher gefolgt war.
Im ersten Moment war sie auf eine vollkommen absurde Art enttäuscht, sie nicht mehr zu sehen, da das Chaos unter ihr sie einfach aufgesogen zu haben schien, doch dafür gewahrte sie etwas anderes und sehr viel Außergewöhnlicheres; zumindest an einem Ort wie diesem. Nicht weit entfernt brach sich das rote Licht auf zwei schmalen, lang und parallel zueinander verlaufenden … Schienen?
Hier?
Geduckt huschte sie hin, ließ sich vor ihrer eigentlich unmöglichen Entdeckung in die Hocke sinken und berührte sie so vorsichtig mit den Fingerspitzen, als wären sie rot glühend vor Hitze. Sie waren es nicht und sie lösten sich auch nicht wie ein Spuk auf. Es waren Schienen, die links von ihr hinter
Weitere Kostenlose Bücher