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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Leichnam genauer in Augenschein zu nehmen. Vertrocknet und wenigstens zum Teil angezogen, wie er war, war es natürlich schwer festzustellen, aber er wirkte nicht so, als wäre er gewaltsam ums Leben gekommen.
    Was war das hier?, dachte sie schaudernd. So eine Art Elefantenfriedhof, ein Ort, an den die Orks kamen, um zu sterben?
    Der Wind drehte und trug für einen Moment einen ganzen Chor sonderbarer Geräusche heran, die sie nicht identifizieren konnte, die aber ganz eindeutig nicht hierhergehörten. Sie erloschen fast so schnell, wie sie gekommen waren, aber es reichte, um ihr die Richtung zu weisen. Sie huschte los, erklomm einen kurzen, aber ungemein steilen und zu allem Überfluss auch noch mit lockerem Geröll bedeckten Hang, der fast ihr gesamtes Geschick erforderte, und legte das allerletzte Stück auf Händen und Knien krabbelnd zurück.
    Oben angekommen, beglückwünschte sie sich zu ihrer instinktiven Vorsicht. Das Gelände fiel auf der anderen Seite des Grates genauso steil ab, wie es auf dieser angestiegen war. Vielleichtfünfzig Meter weiter erhob sich eine senkrechte Felswand, die über ihr einfach mit dem Nachthimmel verschmolz. Das schmale Tal, das auf diese Weise entstand, war nicht leer. Hier brannten Feuer, in deren flackerndem Schein sich zahlreiche Gestalten bewegten. Und längst nicht alle von ihnen waren zweieinhalb Meter groß und hatten Schuppen und Hörner. Ganz im Gegenteil schienen die allermeisten menschliche Umrisse zu haben, und auch das schnatternde Stimmengewirr, das zu ihr heraufdrang, wurde zum größten Teil von menschlichen Lauten dominiert; auch wenn sie ihr rau und sonderbar fremd vorkamen. Irgendetwas war dort unten nicht so, wie es sein sollte. Aber sie konnte nicht sagen, was.
    Pias Blick glitt über das Durcheinander aus Schatten und sonderbar falscher Bewegung unter ihr und blieb schließlich an der Felswand auf der anderen Seite hängen. Dort ging etwas vor, was sie über die große Entfernung und bei dem schwachen Licht nicht genau erkennen konnte, das aber irgendwie ... beunruhigend war. Sie hatte das Gefühl, dass es wichtig war, es sich anzusehen.
    Aufmerksam suchte sie den Hang vor sich ab, bis sie eine Stelle fand, an der der Boden aus festem Felsgestein bestand, nicht aus losem Geröll, das sich unter der leisesten Berührung lösen würde. Was nutzte es ihr schon, unsichtbar zu sein, wenn sie bei jedem Schritt eine Steinlawine auslöste, die ihre Anwesenheit verriet?
    Wieder in einen Mantel aus Schatten gehüllt, ging sie hin und balancierte den steilen Hang hinab. Zwei- oder dreimal lösten sich trotz aller Vorsicht doch kleinere Steine unter ihren Schritten und hüpften klackend und polternd den Hang hinab, und mindestens einmal hob eine schuppige Gestalt bei einem nahen Feuer den Kopf und blickte nicht nur misstrauisch in ihre Richtung, sondern begann auch wie ein Hund zu schnüffeln, der Witterung aufgenommen hatte. Pias Herz setzte für einen Schlag aus und hämmerte dann so schnell und laut weiter, dass sie allein das Geräusch eigentlich schon hätte verraten müssen. Aber dann senkte der Ork wieder den Kopf, verlor das Interesse an demStein, der sich ganz von selbst von seiner Position gelöst hatte, und schien in dumpfes Brüten zu verfallen.
    Er war nicht der einzige, der so dasaß, bemerkte Pia: So nahe an den wärmenden Flammen, wie es gerade noch ging, ohne dass er sich verbrannte, mit müde hängenden Schultern und leerem Blick. Er musste entweder unendlich müde sein oder krank, vielleicht auch beides. Während sie – unsichtbar, aber trotzdem äußerst vorsichtig und dem Licht der brennenden Lagerfeuer so gut ausweichend, wie sie konnte – durch das schmale Tal schlich, fiel ihr dasselbe Phänomen bei einer ganzen Anzahl weiterer Orks auf, wenn nicht bei allen. Was ging hier vor?
    An dem Anblick einer halben Hundertschaft Orks, die so aussahen, als könnten sie sich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten, war im Grunde nichts auszusetzen (nicht nach dem, was sie mit diesen Monstern bisher erlebt hatte), aber Pia war verwirrt; und sie hatte das sehr sichere Gefühl, dass diese Beobachtung außerordentlich wichtig war.
    Noch besser wäre es natürlich gewesen, wenn sie gewusst hätte, was sie bedeutete.
    Einen Moment lang spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, das Risiko einzugehen und sich einem der Lagerfeuer zu nähern, um vielleicht mehr über die Ursache dieses sonderbaren Verhaltens herauszufinden, entschied sich dann aber dagegen.

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