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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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dieser Mann ist, den man nicht sieht …«
    Contini spürte die Vorboten eines Kopfwehs.
    »Wer soll das sein?«
    »Vielleicht kommt er auch mit Verzug.«
    »Hör mal, Giona …«
    Doch der Einsiedler ignorierte ihn; er setzte seinen Monolog fort, als sei Contini gar nicht da. »Das sind keine Verbrechen aus einem Affekt heraus, aus Wut oder Leidenschaft. Der Täter ist einer, der genau rechnet, Zeiten berechnet. Deshalb braucht Natalia so lang, um sich zu erinnern: Sie ist hinters Licht geführt worden. Aber das Schweigen, das Gedächtnis, das nicht zurückkehren will … Nicht das, was Natalia sagt, ist wichtig: Man muss herausfinden, was sie verschweigt! Man muss …«
    Giona brach jäh ab. Er riss die Augen auf und sagte: »Ich versteh’s nicht.«
    »Da bist du nicht der Einzige«, antwortete Contini.
    »Dabei bin ich sicher, dass das Schweigen wichtig ist. Auch für dich. Es bedeutet, dass etwas reift, verstehst du?«
    Contini machte den Mund auf und schloss ihn wieder. Ach ja? Vielleicht waren alle diese unausgesprochenen Worte Zeichen eines Erstaunens, eines Entstehens? Entspringt denn im Grunde nicht immer alles dem Schweigen? Aber Contini bezweifelte sehr, dass ihm die Jonas’sche Philosophie eine konkrete Hilfe sein könnte. Dabei hatte der Alte sonst einen guten Riecher. »Was kann man denn jetzt noch tun?«, fragte er. »Ich meine: ich?«
    Giona beugte sich vor und sagte leise: »Pass auf. Auch wenn Savi tot ist, musst du auf Natalia aufpassen.«

2
Die Toten reden
    Liebe Francesca,vielleicht ist ein Brief das Beste. Du weißt ja, dass ich kein großer Redner bin, schriftlich jedoch Schriftlich? Soll das ein Witz sein?
    Du weißt ja, dass ich kein großer Redner bin, aber wenn ich schreiben kann, gelingt es mir eher zu verstehen, was ich eigentlich sagen will .
    Ein bisschen gewunden, aber bei der Reinschrift würde er es dann noch glätten und verschönern.
    In letzter Zeit habe ich dich, wie wir es vereinbart haben, nicht angerufen, aber ich habe viel über die Vergangenheit und die Zukunft nachgedacht. Schon die Tatsache, dass ich darüber nachdenke, über die Zukunft, meine ich, macht sie irgendwie konkreter, als existierte sie bereits, als Es war ihm ein Rätsel, wie er es immer wieder schaffte, sich in bestimmte Sätze hineinzumanövrieren. Er strich die letzten Zeilen aus und bemühte sich um Sachlichkeit.
    In letzter Zeit habe ich dich, wie vereinbart, nicht angerufen, aber ich habe über uns beide nachgedacht und über das, was wir miteinander aufgebaut haben. Es wäre wirklich schade, die Geschichte zu beenden, bevor sie an ihr natürliches Ende ge Nein.
    Es wäre wirklich schade, einfach aufzugeben. Mir ist klar, dass ich vieles falsch gemacht habe, und vielleicht hätte ich klarer sein müssen. Genau das schaffte er nicht. Vielleicht war die Wunde noch zu frisch, oder vielleicht gab es überhaupt keine Wunden, und er suchte nur eine. Wie ein pubertärer Jugendlicher. In letzter Zeit schrieb er zu viele Briefe, und vielleicht hatte er eben doch noch nicht genügend Abstand von Francesca, um die richtigen Worte zu finden.
    Dabei war Contini ein Experte in der Kunst des Abstandnehmens.
    Er hatte nicht einmal versucht, Natalia anzurufen, obwohl es ihm Giona zum Abschied dringend ans Herz gelegt hatte. Sie hatte den Wunsch geäußert, in Ruhe gelassen zu werden, und sich als obsessiver Exdetektiv aufzuführen, der jungen Mädchen nachstellt, war das Letzte, was Contini wollte.
    In diese trüben Gedanken brach ein Piepsen ein, das aus dem Flur herübertönte. Wenn Contini zu Hause war, legte er sein Handy auf die Ablage neben der Haustür, direkt unter dem uralten schwarzen Telefonapparat an der Wand. Er stand auf, um nachzusehen, was es war. 1 NEUE KURZMITTEILUNG, las er und wunderte sich: Normalerweise bekam er keine SMS.
    Als er sah, von wem die Nachricht kam, vergaß er den Brief an Francesca.
    In der Wissenschaft gibt es keine Gewissheiten.
    Das war eine der Haupterkenntnisse des Kommissärs De Marchi aus zwanzig Dienstjahren. Da kommen sie mit ihren Diagrammen und Tabellen, mit präzisen und sauberen Daten von Messungen und Untersuchungen, aber nie können sie einem sagen: Dieser Mann ist von der und der Person auf die und die Weise umgebracht worden. Die Wissenschaft redet von Wahrscheinlichkeit, aber De Marchi wusste, dass man mit Wahrscheinlichkeiten nicht weiterkommt.
    »Ich will gar nicht, dass Sie mir die Lage der Leiche erklären«, sagte der Kommissär mit einer Kinnbewegung zu dem

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