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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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auf ihn zu. Immer lächelnd. Immer freundlich. Giovanni wusste nicht weiter.
    »Komm doch«, forderte der Richter ihn auf. »Suchen wir sie gemeinsam. Sie muss ja hier irgendwo sein, oder?«
    Genau in dem Moment tauchte sie auf. Ein farbiger Fleck auf der Schwelle des Hauses, aus dem der Richter gekommen war. Das war ihr blaues T-Shirt. Das war sie! Sie hielt sich mit einer Hand an der Türöffnung fest, als sei ihr nicht gut. Giovanni blickte zu ihr hinüber, sah Bonetti an. Er las Furcht im Blick des Richters. Und hatte keine Zweifel mehr. Er sah Bonetti herumfahren, doch der hatte sich gleich wieder in der Hand und sagte: »Hey, Natalia! Wo kommst du denn her?«
    Giovanni wich einen Schritt zurück.
    »Wart ihr hier verabredet?«, fragte der Richter, eine Hand in der Tasche seines Sakkos.
    »Was hat sie, warum geht’s ihr schlecht?«, fragte Giovanni.
    »Geht’s ihr schlecht?«, gab Bonetti zurück und drehte sich kurz zu dem Mädchen um. »Woher willst du wissen … Hey, wo …?«
    Giovanni war losgerannt. Er rannte zwischen den Ruinen der Häuser dahin, übersprang ein Mäuerchen, umrundete die Trümmer eines viel größeren Hauses und verbarg sich hinter einem steinernen Trog, der vielleicht einmal zu einem Brunnen gehört hatte. Er hörte Bonettis Stimme. »Giovanni!«, rief der Richter, »Giovanni, komm zurück!«
    Contini hatte Recht, mit diesem Mann stimmte etwas nicht.
    Giovanni beobachtete den Richter aus seinem Versteck heraus und sah ihn auf Natalia zugehen, die reglos vor dem Hauseingang stand und ins Leere starrte.
    »So, komm wieder mit rein«, befahl ihr Bonetti.
    Natalia schien aus ihrer Abgestumpftheit zu erwachen. »Giovanni!«, rief sie. »Pass auf …«
    Doch Bonetti hatte sie am Arm gepackt und riss sie hinter sich her ins Haus. Giovanni verharrte in seinem Versteck, unschlüssig, was er tun sollte. Er durfte auf keinen Fall panisch werden. Lieber versuchen, Zeit zu gewinnen; früher oder später würde Contini auftauchen.
    Lautlos schlich er zurück zum Dorfrand. Von hier aus sah er das Haus nicht mehr, in dem Bonetti und Natalia waren, sah aber den Hauptplatz und den Weg durchs Dorf, und nach einer kurzen Weile hörte er Schritte. Er spähte um eine Ecke und sah, dass Bonetti wieder herausgekommen war.
    »Wo steckst du denn jetzt, Giovanni?«
    Der gab keine Antwort. Wenn Bonetti, wie zu befürchten war, tatsächlich den Verstand verloren hatte, musste man mit dem Schlimmsten rechnen.
    »Giovanni, mir reißt allmählich die Geduld.«
    Bonetti wanderte zwischen dem einen und dem anderen Haus hin und her, während Giovanni, sich an Mauern entlang drückend und hinter Gestrüpp verbergend, aufs Geratewohl weiterschlich. Er machte sich Sorgen um Natalia: Sie schien ihm völlig weggetreten, wie unter Drogen. Er überlegte, ob er versuchen sollte, den Richter fortzulocken, dann Natalia herauszuholen und mit ihr zu fliehen. Aber wenn Bonetti tatsächlich ein Mörder war, würde er vor weiteren Morden nicht zurückschrecken. Sicher war er bewaffnet.
    »Wenn du nicht sofort herauskommst, wird Natalia dafür büßen!«, schrie der Richter erbost.
    Er ließ seine Maske fallen.
    »Du machst einen Fehler, Junge«, rief er jetzt gefasster. »Komm her, ich will mit dir reden.«
    Bonetti hatte noch immer die Hand in der Tasche seines Sakkos, und Giovanni vermutete dort die Pistole. Es war zu spät. Die Brille saß leicht schief im schweißnassen Gesicht des Richters, und Giovanni, der nur wenige Meter entfernt von ihm war, fürchtete, dass der Mann dem Nervenzusammenbruch nahe war.
    »Ich gebe dir zehn Sekunden, dann muss Natalia dran glauben, kapiert? Kapiert?«

15
Ein anderes Leben
    Brenno Bonetti, der sein Leben dem Dienst an Gemeinschaft gewidmet hat. Was machte einer wie er, erst erfolgreicher Anwalt, dann Richter, Friedensstifter und Ehrenmann, der immer zu seinem Wort stand, mit einer Pistole im Sack in einem verfallenen Dorf?
    Es war, als fände dies alles in einem anderen Leben statt, als hätte es ihn in eine zweite Wirklichkeit verschlagen. Er konnte sich nicht mehr erklären, wie er so weit gekommen war. Heiliger Himmel, das war ja wie in einem abgeschmackten Western – die Geisterstadt, die Pistole, das Mädchen und der junge Held … Das Misstönende darin war er, Richter Brenno Bonetti. Ein Leben im Dienst an der Gemeinschaft.
    Schönes Leben. Es braucht ganz wenig, um einen Menschen zugrunde zu richten. Daran war niemand anderes schuld als er – aber er hatte auch wirklich Pech gehabt,

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