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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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er suchte sie und würde sie finden, hier in diesem halb zerfallenen Haus in eine Ecke gekauert. Wieder fielen ihr die Augen zu, und sie trieb davon aus der Gegenwart, und wieder war ihr, als erwachte das Dorf ringsum zum Leben. Sie war kein Opfer, hinter dem ein Mörder her war, sondern ein junges Mädchen, das am Fenster eines Bergbauernhofs saß und die letzten schönen Sommertage genoss.
    Später würde sie schlafen.
    Sie hatte nur ein Bedürfnis – mit geschlossenen Augen dasitzen und vor sich hinträumen –, und das durfte sie nicht, sie musste wach bleiben. Selbst wenn Bonetti sie fand, konnte sie immer noch ins Freie laufen und um Hilfe schreien. Sie versuchte sich darauf vorzubereiten, doch insgeheim wusste sie, dass sie es nicht schaffen würde. Sie brachte keinen Ton heraus, war wieder stumm, wie in den ersten Tagen nach dem Mord an ihrer Mutter. Natalia im Wald ohne Sprache. Und Bonetti hatte eine Schusswaffe. Sie war müde, grenzenlos müde.
    Bonetti kam aus dem Haus gegenüber; er musste den Kopf einziehen, um durch die Türöffnung zu passen. Er rief sie nicht mehr, er suchte sie nur; er wusste, dass sie ihm nicht mehr entkam. Jetzt stand er vor dem Haus neben Natalias Versteck. Er warf nur einen Blick hinein und sah gleich, dass es leer war.

13
Der schwer gefasste Entschluss
    Gegenüber dem Schreibtisch war die Wand, und an der Wand war eine gemusterte Tapete. Die eher zu einem Hotelzimmer gepasst hätte als zum Dienstzimmer eines Polizisten: Es waren Bahnen von Rauten aus ineinander verschlungenen Blättchen, aus denen hier und dort eine gelbe, rote oder violette Blüte spross. Commissario De Marchi starrte schon eine ganze Weile auf die Tapete.
    Es war keine leichte Entscheidung. Brenno Bonetti war Richter gewesen, Abgeordneter im Großen Rat, dem Kantonsparlament. Auch nach seiner Pensionierung gab er sich nicht dem Müßiggang hin, sondern widmete sich dem Schutz Minderjähriger und überhaupt dem Gemeinwohl. Wie würde er auf die Unterstellung reagieren, er habe drei Menschen umgebracht?
    Tja, wenn man Contini glaubte, hatte er sogar noch einen vierten Mord im Sinn. Eines musste man zugeben, es hatte eine gewisse Logik. Auch ein hoch angesehener pensionierter Richter kann unaussprechlichen Versuchungen erliegen, kann Abweichungen von der Normalität anheimfallen, die er verständlicherweise um jeden Preis zu verheimlichen sucht. Der Kommissär hatte einige Erfahrung auf diesem Gebiet und wusste, wie leicht die Grenze überschritten wird: sexuelle Euphorie, Alkohol, das berauschende Gefühl einer Übertretung, es fällt die Maske, und die Reue ist groß.
    Wirklich, es war eine schwere Entscheidung.
    Contini hatte ihn vom Auto aus angerufen – unmittelbar nachdem er sowieso wegen Telefonierens am Steuer gefasst worden war! – und ihn auf den neuesten Stand gebracht. Jetzt raste er Richtung Corvesco, als wäre der Henker hinter ihm her, und wäre wohl bald dort.
    De Marchi konnte eine Streife schicken. Wenn sich Continis Theorie aber als bloßes Hirngespinst entpuppte, was dann? In den höheren Etagen würde sofort jemand seinen Kopf fordern, und es wäre sicher nicht die beste Verteidigung, wenn er zugab, dass er die Tipps eines verkrachten Detektivs in die Praxis umsetzte. Andererseits konnte er auf keinen Fall Natalias Tod in Kauf nehmen. Wenn auch nur die geringste Chance bestand …
    Was tun? De Marchi suchte eine Lösung im Tapetenmuster, und derweil verging die Zeit. Es war in der Tat doch sehr merkwürdig, sagte er sich, wenn es stimmte, dass Natalia und Bonetti allein dort oben am Berg waren. Schließlich befreite er sich aus der Hypnose durch Blätter und Blüten, stand auf und öffnete das Fenster. Es war später Nachmittag. Aus dem Haupttor kamen Beamte mit feierabendlich gelockerter Krawatte, und die Leute von der Abendschicht trudelten ein.
    De Marchi fasste seinen Entschluss. Er würde eine Streife schicken. Vielleicht war es ein Fehler, für den er zur Rechenschaft gezogen würde, aber dann hatte er zumindest ein ruhiges Gewissen. Hoffentlich erwies sich Continis Theorie nicht als Blendwerk. Und hoffentlich kamen sie nicht zu spät. Die Streifenbeamten müssten ja erst nach Corvesco fahren und dann zu Fuß durch den Bergwald marschieren und ein Ruinendorf finden. Contini kannte die Gegend besser, vielleicht wäre er früher dort.
    De Marchi schloss das Fenster. Er kehrte an den Schreibtisch zurück, tätigte einen Anruf und überließ sich wieder dem Bann der Tapete. Jetzt hieß

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