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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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den Weg, den sie zurückgelegt hatte.
    »Bist du müde?«, fragte Giovanni.
    »Bisschen.«
    Sie hatte jetzt das Gefühl, sie könnte sich an jeden einzelnen Moment ihrer Flucht in den Wald erinnern. An die Stunden der Sprachlosigkeit und Einsamkeit. Und an die vielen Tage danach, an denen sie die Sprache Wort für Wort hatte wiederfinden müssen. Nichts verband sie mehr mit dem jungen Mädchen, das zu ihren Freundinnen nach Genf gefahren war, so wenig wie mit der Tochter, die sich bemüht hatte, nach dem Tod des Vaters nicht zu weinen.
    »Wann ist Contini denn gekommen?«, fragte sie.
    »Kurz bevor Bonetti mit dir reinkam. Es war wirklich haarscharf. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen soll, als Bonetti durchgedreht ist. Contini hat sich von hinten angeschlichen. Gerade rechtzeitig.«
    Giovanni sprach hastig. Auch er stand unter Schock.
    »Tut mir leid«, sagte Natalia. »Dass ich dich da mit reingezogen habe.«
    »Meinst du das ernst? Ich bin’s doch sowieso. Reingezogen, meine ich. Normal.«
    Natalia lächelte. »Siehst du hier irgendwas Normales?«
    Auch Giovanni lächelte. »Tja, war irgendwie ein spezieller Sommer.«
    »Ja.«
    Nach einer Weile fragte Giovanni: »Und jetzt?«
    »Weiß nicht«, sagte Natalia und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Vielleicht ist immer noch ein spezieller Sommer.«
    Der Polizeibeamte Daniel Guglielmoni wusste es gleich, wenn ein Tag nicht seiner war. Das fängt damit an, dass einem am Morgen der Kaffee überkocht und sich in den Herd einbrennt, der Tank leer ist, wenn man sowieso zu spät dran ist, der Chef in Mörderlaune ist. Dann fehlt nur noch, dass man am späten Nachmittag zum Einsatz auf einen verdammten Berg geschickt wird.
    »Na komm, wir sind doch fast da«, sagte Filippo Torti, sein Kollege.
    Filippo Torti marschierte auch in seiner Freizeit. Trekking nannte er das, oder Nordic Walking, irgend so was. Da sagt sich das leicht, »wir sind fast da«.
    »Aber wieso müssen wir so rennen?«
    »Der Kommissär sagt, wir sollen uns beeilen.«
    »Das sagen sie doch immer.«
    Guglielmoni glaubte nicht an einen echten Notfall. Es war halt wieder so eine Idee gewesen, wie sie den Chefs von Zeit zu Zeit in den Sinn kamen, dann gaben sie seltsame Anweisungen, einfach um ihre Macht zu demonstrieren. Chefs sind so.
    »Außerdem ist es doch ein toller Tag«, sagte Filippo. »Die Sonne scheint noch, und es ist schön, im Freien zu sein, das Laufen ist gut für …«
    »Ja, danke, kenn ich alles.«
    Nach einer Wegbiegung blickte Guglielmoni auf und sah das verlassene Dorf vor sich. Bis dorthin lag noch ein ätzend steiles Stück vor ihm. Bevor Torti noch einmal sagen konnte, sie seien ja fast da, packte er ihn am Arm.
    »Schau, da oben! Da ist doch wer … zwei Leute.«
    Torti zückte sein Fernglas. Er blickte eine Zeit lang hindurch, dann sagte er: »Du dürftest Recht haben. Es ist nicht eilig.«
    Er reichte ihm das Fernglas. Guglielmoni richtete es auf die zwei Personen und stellte scharf. Ein Junge und ein Mädchen. Sie saßen direkt am Ende des Wegs auf einer Steinmauer und küssten sich. Eng umschlungen, so dass man von den Gesichtern nicht viel sah, aber Guglielmoni war so gut wie sicher, dass es sich bei dem Mädchen um die nach Ansicht des Kommissärs in Lebensgefahr schwebende Natalia Rocchi handelte.
    »Haha, schöne Gefahr«, sagte er. »Die braucht uns sicher nicht.«
    »Das meine ich auch.«
    »Haben wir uns also völlig umsonst hier raufgeschleppt?«
    »Sagen wir so, wir hatten einen netten Nachmittag. Es ist doch noch Sommer, oder? Bei diesem Prachtwetter ist es das reinste Glück, dass wir …«
    »Schon gut. Gehen wir.«

17
Geschäftsessen
    Ferdi hatte sich nicht eingemischt. Was rückblickend ein Fehler war: Der arme Savi war zwar ein guter Organisator, aber unvorhergesehene Umstände und Krisen überforderten ihn, und am Ende war er panisch geworden. Ferdi kniff die Augen zusammen; dann nahm er eine Hand vom Steuer und tastete nach seiner Sonnenbrille.
    Es war der erste September, und die Sonne spiegelte sich blitzend im See und auf den Scheiben der Autos. Ferdi fuhr die Kantonsstraße nach Gandria und dachte über die absurde Tukan-Sache nach. Mit Polizeikontrollen hatte man ja gerechnet, ebenso mit dem einen oder anderen Bußgeldbescheid und mit Scherereien wegen Mädchen, deren Papiere nicht in Ordnung waren. Aber Gewaltexzesse waren natürlich eine andere Größenordnung.
    Allerdings war es sinnlos, sich über Vergangenes den Kopf zu zerbrechen.
    Als

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