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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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eine feste Stelle, ich mache meine Vertretungen, wir leben beide im Tessin. Sollen wir uns weiter nur so ab und zu in der Freizeit treffen? Hast du nicht Lust auf was anderes … ich weiß nicht, auf was Ernsteres? Ein Projekt?«
    »Ich mag keine Projekte.«
    »Du magst keine Projekte?«
    Ein Seufzen war zu hören. Ein gelbes Feuerband zog einen Bogen über den Himmel und explodierte in einem Funkenschauer. Contini schüttelte den Kopf.
    »Warum vergeuden sie sie schon einen Tag früher …?«
    »Willst du das Thema wechseln?«
    »Nein, ich find’s nur absurd.«
    »Was?«
    »Der erste August ist morgen. Wenn man sich schon eine Rakete kauft, warum wartet man dann nicht auf …«
    Contini sah Francescas Gesichtsausdruck und verstummte.
    »Ich meine es ernst«, sagte sie. »Ich will wissen, ob du irgendeine Vorstellung von uns hast und was du denkst, wie es mit uns weitergehen soll und wie wir überhaupt unsere Beziehung angehen sollen.«
    Contini sagte nichts.
    »Und?«
    »Eine Beziehung geht man doch nicht an.«
    »Was soll das heißen?«
    »Geht’s uns nicht gut so? Wir sitzen hier zusammen, essen unsere Paella und trinken einen Merlot. Was vermisst du?«
    Francesca stand auf.
    »Ist das dein Ernst?«
    Contini zuckte die Achseln.
    »Gut.« Francesca legte ihre Serviette auf den Tisch. »Dann lass ich dich jetzt nachdenken.«
    »Wo willst du hin?«
    »Heim. Wenn du irgendwann genauere Vorstellungen hast, kannst du mich ja anrufen.«
    »Aber hör mal, wir haben doch noch gar nicht fertig …«
    »Also ciao.«
    »… gegessen. Wieso willst du schon weg?«
    »Hab ich dir grad erklärt.«
    Francesca drehte sich um, stieg die Verandastufen hinunter und ging auf den Parkplatz zu, auf dem sie, fünfzig Meter weiter, ihr Auto abgestellt hatte. Wortlos, vor seinem Teller »Notfallpaella« sitzend, sah er sie davongehen.
    Lange blieb er still sitzen. Irgendwann zündete er sich eine Zigarette an. Trank seinen Wein aus. Unten im Dorf explodierte hin und wieder ein Knallfrosch. Der graue Kater sauste den Weg herauf und suchte Zuflucht unter dem Tisch. Was ist, Kater, bist du ein Nationalfeiertagsfeind? Der Kater zuckte mit dem Schwanz. Ich weiß nicht, Contini, mich nervt der Krach, ich will in erster Linie meine Ruhe haben. Und du?
    Ich? Tja. Was suche ich, dachte Contini, was will ich?
    Zu komplizierte Frage für den Moment. Außerdem schätzen Katzen keine Fragen. Contini beugte sich zu dem Kater hinunter und strich ihm über den Kopf, dann stand er auf und ging ins Haus. Minuten später kam er mit dunkler Kleidung und seiner Kamera wieder heraus und steuerte auf den Wald zu.
    Nach ein paar Metern zwischen Büschen und Haselnusssträuchern gelangte er auf den Pfad, folgte ihm eine Weile und bog dann erneut ab, um eine Böschung hinaufzuklettern. Er durchquerte ein Buchengehölz und stieg zum Tresalti ab. Jenseits des Wildbachs, das wusste er, gab es ein ausgedehntes Brombeer- und Himbeergestrüpp, und es kam häufig vor, dass sich ein Fuchs bis dorthin wagte, um Beeren zu fressen. Für die Brombeeren war es noch ein bisschen früh, aber die Himbeeren waren schön dick und reif.
    Er suchte sich ein Versteck am Ufer des Tresalti, setzte sich bequem und schaltete seine Digitalkamera ein. Im Mondlicht bildete der Wald einen schwarzen Hintergrund, vor dem ein windbewegtes Geschnörkel aus Zweigen und Blättern hin und her wogte. Contini, an die Dunkelheit gewöhnt, machte sich auf längeres Warten gefasst.

7
Wie ein Kind
    Warum ist die Schweiz eine Nation?
    Es war eine Frage, die Natalia ab und zu durch den Kopf ging. Die Schweizer sprechen verschiedene Sprachen, hängen verschiedenen Religionen an und sogar verschiedenen Kulturen, sie haben unterschiedliche Küchen, unterschiedliche Trachten. Warum haben sie beschlossen zusammenzubleiben?
    Es hat historische Gründe, das wusste Natalia natürlich, aber das praktische Zusammenleben ist doch eine andere Sache. Wenn sie mit einem Deutschschweizer zusammentraf, verstand sie so gut wie nichts. Wie kann es sein, dass zwei Landsleute nicht miteinander kommunizieren können? Im Übrigen war Natalia selbst das beste Beispiel für das Schweizer Rätsel: Auch wenn sie die Hoffnung, jemals Schwyzerdütsch zu verstehen, hatte fahren lassen, war sie stolz auf ihre Heimat und hätte sie für kein anderes Land der Welt eingetauscht. Immerhin haben die Schweizer das Privileg, ins Ausland reisen zu können, ohne dazu eine Landesgrenze überqueren zu müssen.
    An jedem ersten August hängte

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